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reich1899alsGerichterrichtetworden,dientedendeutschenBesatzernimErsten
WeltkriegalsVerwaltungsgebäudeund inderZwischenkriegszeit, impolnischen
Wilno,wieder als Gericht. (Frankovic et al. 2010, 51) VonOktober 1939 bis Juni
1940gingVilniusanLitauenzurück, indieserZeitwardasGebäudeeinGymna-
siumfürKnaben.(Peikštenis2005,132)AbdemHerbst1940nutzteesdiesowjeti-
sche Staatssicherheit als Zentrale und Gefängnis, während der NS-Zeit folterte
dort die Gestapo und nach der zweiten sowjetischen Besatzung 1944 der KGB.
Nachdemder bewaffnete antisowjetischeWiderstand in Litauen niedergeschla-
genwordenwar,waren viele Zellen inden frühen 1960er Jahren inLagerräume
desKGB-Archivsumgewandeltworden.DissidentInnenwarendann in23derur-
sprünglich 57 Zellen inhaftiert, die Spuren des blutigsten Terrors aber beseitigt
worden. (Peikštenis 2005, 132)HeutebeherbergteserneuteinGericht,das inten-
sivbeforschteKGB-ArchivundebeneinMuseum.(Rindzevičiūtė2015,279)
Das amRande der Altstadt auf demHauptboulevard vonVilnius befindli-
cheGebäudewurdevomlitauischenMinisteriumfürKulturundBildungauf In-
itiative des Verbands der ehemaligen Häftlinge und Deportierten als Museum
eingerichtet unddenOpfernder beiden sowjetischenOkkupationengewidmet.
(Abb. 14)DasGebäudeavanciertenach1989zueinembedeutendenGedenkort:
1994 errichtete der ehemalige politischeHäftlingVytautas Smitrius imAuftrag
des Vereins der ehemaligen Häftlinge und Deportierten neben demMuseum
dasDenkmal„AltarderVerbannten“ inder fürMahnmale fürOpferdessowjeti-
schenTerrors typischenPyramidenform, einemTotenhügel aus kleineren Stei-
nenmitKruzifixaufderSpitze. (Makhotina2017,311;Frankovicetal. 2010,51f)
EntlangderAußenwandwurdenNamenderOpferdessowjetischenTerrorsein-
graviert: „May the names of Lithuanian patriots, shot to death in this former
KGBbuilding, bearwitness toduty fulfilled to themother land, its honor, free-
dom,andindependence“, sodie Inschrift. (Wallace2008,402)
Bei der Pressekonferenz anlässlich der Museumseröffnung sagte der Grün-
dungsdirektorundHistorikerGintarasVaičiūnas,erwollevorallemdie„authenti-
scheAtmosphärederRepression“wiederherstellenundeine ständigeAusstellung
installieren. (Tiškutė 1992)66DerParlamentsabgeordneteundVorsitzendedesVer-
bandspolitischerGefangenerundExilanten,BalysGajauskas,der indersozialisti-
schenÄra langeHaftstrafen in sowjetischen Lagern abgesessen hatte, berichtete
bei dieser Gelegenheit, dass nach demExekutionsraum, von demKGB-Häftlinge
berichtethatten,nochgesuchtwerde. Inden1990erJahrenwurdendannArchäo-
66 IchdankeDeimantėVarnaitytė fürdieRechercheundÜbersetzung litauischer Zeitungsar-
tikelüberdiesesMuseumundEkaterinaMakhotina fürdenAustauschüberdie Institutionund
litauischeGeschichtspolitik.
90 4 DerZweiteWeltkrieg imMuseum
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918