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handelte und sich die Stadtregierung erst abwartend verhielt bzw. eher dazu
tendierte, dasGebäude abzureißenund 1995 einHotel errichtenwollte. (Lenss
2006, 54)71Auchdie langjährigeMuseumsleiterinGundegaMicheleundder für
diemeistenMuseumspublikationenverantwortlichzeichnendeGermanistikpro-
fessor vonderUniversitätWisconsinValtersNollendorfs habennämlich einen
exil-lettischenHintergrund.Michelewurde1940inLettlandgeboren, ihreFami-
lie flüchtetezuKriegsende indenWesten,wosieChemieprofessorin inChicago
wurde. (Evans 2006, 342) Der 1931 inRiga geboreneNollendorfs floh ebenfalls
1944mit seiner Familie nachDeutschland,woer fast sechs Jahre in einemDP-
Lager verbrachte unddann in dieUSAemigrierte. Seit 1996 arbeitet er für das
MuseuminverschiedenenLeitungsfunktionen.Erst Endeder 1990er Jahrewird
dasMuseumzusehends fixerBestandteil staatlicherGeschichtspolitikund1999
nimmt dann Präsident Guntis Ulmanis vomLettischen Bauernbund, der selbst
indersibirischenVerbannunggeborenwordenwar,anderEröffnungeiner tem-
porärenAusstellungüber dieDeportationennachSibirien imMuseum teil,wie
dannmehrereZeitungenberichten. (Medenis1999;Paparde1999;Lazdiņa1999)
ImGegensatz zumMuseumder Genozidopfer betonen Lazda und Nollen-
dorfsnebender sowjetischenBesatzung immerauchdienationalsozialistische,
wennsieüberdieAufgabedesMuseumssprechen:
themuseumemphasizes the fact that therewere twooccupations.Nazi occupationmust
notbemisunderstood tobe liberation.Nazipolicieswereclear. Latviawas to themacon-
queredcountry, apart of theSovietUnion.Germans ruled it asOstland; theLatvianSelf-
Administrationwasdeniedanygovernmentalattributesor functions,
soLazda(2008,12).DieVergangenheit sei
distortedbyboth theNazisand theSoviets.Of course theNaziswereamuchshorter time
[sic!], but both of these totalitarian powers basically wanted to take [Latvia] over and
whenyouwant to takeover, you imposehistoryonacountry.Themuseumishistorically
reclaiming thenationhoodofa timewhen theSoviets andNaziGermans ruledand impo-
sedtheirhistoryhere. (Nollendorfszit.n.Freutel2004)
DieständigeAusstellungüberdieerstesowjetischeBesatzungwurde1993eröff-
net und in Folge für die Jahre 1939–1991 in jährlichen Etappen 1998 fertigge-
stellt. (Nollendorfs 2008b,227)Verglichenmit seinenbaltischenPendants,dem
MuseumfürGenozidopfer inVilniusunddem2003eröffnetenMuseumderOk-
71 Soberichtetedieauflagenstärkste lettischeZeitungDienaanlässlichderEröffnungkurz, das
Museumsei für seinenFortbestanddringendauf staatlicheHilfe, vor allemdieVerfügungüber
dasGebäudeangewiesen. (Laizāne1993)AufmerksamkeiterhieltdasMuseum1993 ferner inder
exil-lettisch-australischenZeitungAustrālijasLatvietis,dieam23.7.und30.7.1993berichtete.
94 4 DerZweiteWeltkrieg imMuseum
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918