Seite - 97 - in Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen - Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
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Nachder JahrtausendwendeerhieltendiebisherbesprochenenMuseenneue
Dauerausstellungen (Terezín: 2001Ghettomuseum, 2003KleineFestungund In-
ternierungslager fürDeutsche; 2002–2004MuseumderGenozidopfer; 2004Mu-
seum des Slowakischen Nationalaufstands; 2006 Jasenovac) und neueMuseen
wurdeneröffnet (2002HausdesTerrors inBudapest; 2003MuseumderOkkupa-
tionen in Tallinn; 2004–2006 Holocaust-Gedenkzentrum in Budapest; 2004–
2006MuseumdesWarschauerAufstands).72EsgabalsobeträchtlicheAktivitäten
ingenauderZeit, indersichdieLänderumeinenEU-Beitrittbemühten.
Die vergleichende Untersuchung der zehnMuseen von Estland imNorden
bis nach Kroatien im Süden hat zwei unterschiedliche Strategien zutage geför-
dert,wie postsozialistischeMuseen imZuge ihrer Beitrittsbemühungenmit ‚Eu-
ropa‘kommunizieren–aufText-, Bild- undallgemeinästhetischerEbene.Unter
den zehnMuseen lassen sich ihrer Kernbotschaft nach Gruppen erkennen, die
interessanterweise unabhängig vomHauptgegenstand desMuseums (Aufstand,
Konzentrationslager,GefängnismitFolterzellenimKeller)oderderArtseinerUn-
terbringung(insitu,neuesGebäude,umgewidmetes früheresMuseum)sind. (Ra-
donić2014b;Radonić2017)
Die eine Art vonMuseen betreibt etwas, das ich als ‚Anrufung Europas‘
(Radonić 2014a) bezeichne: Diese allesamt staatlich finanzierten Institutio-
nen, allen vorandas Jasenovac-Gedenkzentrum inKroatien, dasMuseumdes
Slowakischen Nationalaufstands und das Holocaust-Gedenkzentrum in Buda-
pest, übernehmen zumTeil oder zurGänzedieÄsthetik ‚westlicher‘Holocaust-
museensowiedenFokusaufdas individuelleOpfer. Siewidmenden jüdischen
und Roma-Opfern als Folge der ‚Europäisierung der Erinnerung‘ ausführlich
Raumund stellen ihre Institution explizit in denKontext „internationalerVorga-
ben“ und „europäischer Standards“, denen sie als Beleg für ihre ‚Europa-Reife‘
entsprechenwollen. Interessanterweisesindesvorallemnicht-europäische ‚west-
liche‘memorialmuseums,allenvorandasUSHMM,aberauchYadVasheminJeru-
salem, andenen sich dieseMuseen in ihrer Ausstellungsästhetik orientieren,
umihr ‚Europäischsein‘unterBeweis zustellen.Dies zeigt,wie starkdieoben
beschriebene ‚Europäisierung der Erinnerung‘ aus der ‚Universalisierung des
Holocaust‘hervorgegangen ist.
Den anderen Pol bildenMuseen und ihre RepräsentantInnen, die ‚Europa‘
nicht imSinneeinesRichters ‚anrufen‘,derüber ihreBereitschaft fürdenEU-Bei-
tritt zu entscheidenhabe, sonderndie vielmehr von ‚Europa‘ verlangen, dass es
72 EinzigdasMuseumderOkkupationLettlandsbliebvon1998–2012 imWesentlichenunver-
ändert.DieDauerausstellung imZeitgeschichtemuseuminLjubljanawird seit 1996 laufend in
Teilenumgestaltet. 4.3 Die2000er:DieKommunikationmit ‚Europa‘ 97
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918