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fälle in ‚Europa‘bzw.dem ‚Westen‘undzwarnichtoffiziell vonderEUvorge-
schriebener,aberdochvorauseilendangenommenerVerhaltenskodiceszumTeil
inkonsistente Lippenbekenntnisse produziert, wie nun anhandder dreiMuseen
gezeigtwird.
4.3.1.1 ‚Europa‘unddaspostsozialistischeMuseumdes
SlowakischenNationalaufstands
Wenn dasMuseum des Slowakischen Nationalaufstands in der zentralslowaki-
schenStadtBanskáBystrica indenletztenJahreninternationaleAufmerksamkeit
erregte, so vor allem im Zusammenhangmit Marian Kotleba, demParteivorsit-
zenden der rechtsextremen Ľudová strana Naše Slovensko [Volkspartei Unsere
Slowakei,ĽSNS],der inBanskáBystricageboren istundvon2013bis2017Regio-
nalpräsident des Landes Banská Bystricawar. Als anlässlich des 70. Jahrestags
desAufstandswieüblichderPräsidentderSelbstverwaltungsregiondieGedenk-
veranstaltungeröffnensollte,meintederseit2006amtierendeheutigeMuseums-
direktor Stanislav Mičev etwa zum österreichischen Standard: „Ich lade doch
keinenFaschistendazuein,denantifaschistischenAufstandzufeiern.“ (Litschko
2014) Ansonsten ist es demDirektor zufolge ein „international weitgehend ver-
gessenerAufstand“. (Thanei2014)
DieseUnbekanntheit steht invölligemGegensatz zuder zentralenRolle, die
der imOktober 1944niedergeschlageneAufstandgegendasDritteReichunddie
einheimischen KollaborateurInnen des Tiso-Regimes im slowakischen Gedächt-
nis spielt – und das nicht nur in der sozialistischen Ära, sondern auch heute.
(Hudek 2011, 830) Die neue SlowakischeRepublik begründete ihren demokrati-
schenCharakter auf demantifaschistischenKampf inden Jahren 1944und 1945
(Hudek2011,840),währendderAufstandzugleicheinAngriffsziel fürRevisions-
versuchenach1989bildete,danationalistischeAutorInnenundHistorikerInnen
die bloße Existenz eines slowakischen Staates im ZweitenWeltkrieg über alles
andere stellten, was keinerlei positiven Bezug auf den Aufstand zulässt. (Lášt-
icová undFindor 2008, 241) AlsVladimírMečiar, der bis 1998 fast durchgängig
slowakischerMinisterpräsidentwar,1993diedamalsrechtsextremeSlovenskáná-
rodná strana [SlowakischeNationalpartei, SNS] in die Regierung holte, wurden
GeschichtsrevisionismuswiepositiverBezugaufdenNationalaufstandbeideTeil
der Geschichtspolitik (Bútora 2007), bis Mečiar 1998 die Wahl verlor und das
LandseinenWegausder internationalen Isolation suchte. 2007betontedann
Premier Róbert Fico etwa unmissverständlich dieWichtigkeit des Aufstands:
„TheSlovakNationalUprising is thebackboneof themodernSlovakhistoryand
the government under my lead will not accept any questioning of its impor-
tance.“ (Zit.n.Hudek2011,840)RegelmäßignehmenheutederslowakischePrä-
4.3 Die2000er:DieKommunikationmit ‚Europa‘ 99
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918