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Uprising 2006, 51)79 Die genauere Auseinandersetzungmit den einheimischen
TäterInnenbleibtderAusstellung inderFilialedesMuseums inNemeckávorbe-
halten. Auchwird der Bürgerkriegsaspekt, dass also imAufstand SlowakInnen
gegen SlowakInnen kämpften, in diesemAusstellungsabschnitt unterschlagen,
wennesheißt:„TheSlovakrevoltagainstNazismwasalso thestruggle formain-
tenanceofSlovakia’snationalexistenceandidentity.“BarbaraLášticováundAn-
drej Findor schreibenüber die Tückender Europäisierung: „On the other hand,
theEuropean frameof reference canbecomea frame for excuseswhenconside-
ring the unforcedparticipation of Slovak citizens in the gradual annihilation of
their Jewish fellowcitizens– ithappenedeverywhereelse, sowhy topayspecial
attentiontotheSlovakcase?“ (LášticováundFindor2011,174)
Am Ende der Ausstellung (aber kaum in der Publikation aus 2006) wird
schließlich die Verfolgung der Aufständischen und der GegnerInnen des Re-
gimes nach der Gleichschaltung des Landes im Februar 1948 behandelt. Die
meistenvon ihnenemigriertenoderwurdenvorGerichtgestellt.Nurwennman
die Biographien der Anführer des Aufstands auf der Museumswebseite liest,
wirddeutlich,dassallezuerst inderKollaborationsarmeederSlowakischenRe-
publikgedienthatten,bevorsiedieSeitenwechselten. (Commanderso. J.)
LášticováundFindor (2008, 237) ist zuzustimmen,wenn sie betonen, dass
dasMuseum im europäischen Geschichtskontext präsentiert wird, doch es ist
anzuzweifeln, ob es als „cornerstone of the European cultural integration“be-
trachtetwerden kann. Zutreffender scheint da Sniegons Charakterisierung des
Narrativs als „national-europäisch“. (Sniegon 2017, 166) Denn die ‚Anrufung‘
Europas findet hauptsächlich auf einer Lippenbekenntnis-Ebene sowie in der
Ästhetik desHolocaust-Abschnitts statt, die sich auf die Inhalte undFormder
Auseinandersetzungmit derVergangenheit nur bedingt auswirkt. DasHelden-
79 AufderMuseums-Webseitewerdendiese„Errungenschaften“ausführlichbeschrieben:Die
SlowakischeWirtschaft blühte aufgrund von „war conjuncture and clever economypolicy of
the state […] Also traditional strenuousness, low spending and enthusiasm of Slovak nation
caused by possibility to administrate own country with own potential, contributed.“ „Home
sportcontestswereorganizedwithoutproblemstillautumn1944.Also internationalcompetiti-
ons,mainly with German, Hungarian and Croatian teams, were organized” (Karcol o. J.). Es
scheint alsonichts auszumachen,dassnur fürMassenmordverantwortlicheLänder fürSport-
wettbewerbe übrig geblieben sind. Auf derWebseite wird aber auch erwähnt, dass die wirt-
schaftlichenErfolgeetwasmitderTatsache zu tunhatten,dassdasLand „belonged to Jewish
ownersbefore“unddass„excepteconomicaldevelopment,alsodepartureofCzechemployees
anddisqualification of persons of Jewish origin fromeconomical process, contributed to that
fact.“ (Karcolo. J.) Leider istderWebeintragnichtdatiert, er zeigt aber,dassMuseumswebsei-
ten imGegensatzzurcopyright-geschütztenDauerausstellungdenVorteilhaben, leichterauch
inproblematischenAspektenüberarbeitetwerdenzukönnen.
106 4 DerZweiteWeltkrieg imMuseum
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918