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Rausch der Verwandlung
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Lippen beißen, damit es nicht losknatterte mitten in der französischen Stunde bei irgendeinem komischen Wort, bei irgendeiner Albernheit. Denn jedes Nichts kitzelte damals dieses schaumige, sich selbst übersprühende Kleinmädchenlachen heraus. Ein Lehrer stotterte, eine Grimasse vor dem Spiegel, eine Katze, die komisch ihren Schweif ringelte, ein Offizier, der einen anblickte auf der Straße, jedes Nichts, jede winzige sinnlose Spaßigkeit, man war ja so randvoll mit Lachen geladen, daß es bei jedem Funken explodierte. Immer war es da und bereit, dieses lockere lausbübische Lachen, und selbst im Schlaf zeichnete es seine heitere Arabeske auf den kindlichen Mund. Und plötzlich, das alles schwarz und ausgelöscht wie ein erdrückter Docht. 1914, ersten August. Nachmittags war sie im Schwimmbad gewesen; wie einen hellen Blitz hatte sie, in der Kabine aus dem Hemd fahrend, ihren straffen sechzehnjährigen Körper nackt gesehen, voll sich rundend, weiß, heiß, geschmeidig und gesund. Herrlich hatte sie ihn dann gekühlt, patschend und schwimmend, mit den Freundinnen wettjagend auf den knatternden Planken – noch hört sie das Lachen und Prusten des halben Dutzends halbwüchsiger Mädchen. Dann war man heimgetrabt, rasch, rasch, mit flinken Schritten, denn selbstverständlich hatte man wieder die Zeit verpaßt, und sie sollte der Mutter doch Einpacken helfen: in zwei Tagen sollten sie hinüber ins Kamptal auf Sommerfrische. Drei Stufen auf einmal war sie darum die Treppen hinauf, jagenden Atems geradehinein in die Tür. Aber sonderbar, kaum sie eintrat, hörten Vater und Mutter mitten im Wort zu sprechen auf, beide blickten heftig an ihr vorbei. Der Vater, den sie ungewohnt laut sprechen gehört, beginnt mit einem verdächtigen Eifer Zeitung zu lesen, die Mutter muß geweint haben, denn nervös knüllt sie das Taschentuch und geht hastig zum Fenster. Was ist geschehen? Haben sie Streit gehabt? Nein, nie, das kann nicht stimmen, denn jetzt wendet der Vater sich plötzlich um und legt der Mutter, nie hat sie ihn so zart gesehen, die Hand auf die zuckende Schulter. Aber die Mutter hebt nicht den Blick zurück, nur heftiger flackert das Zucken unter der stummen Berührung. Was ist geschehen? Keiner von beiden kümmert sich um sie, keiner von beiden sieht sie nur an. Noch jetzt, nach zwölf Jahren erinnert sie sich an ihre Angst von damals. Sind sie ihr böse? Hat sie am Ende etwas angestellt? Erschreckt – immer steckt ja ein Kind randvoll mit Angst und Schuldgefühl – schleicht sie hinaus in die Küche, dort belehrt sie Božena, die Köchin, Geza, der Offiziersdiener von nebenan, und der muß es wissen, habe gesagt, jetzt ginge es los und man werde sie auf Goulasch pracken, die verdammten Serben. Da muß der Otto mit als Reserveleutnant und auch der Mann ihrer Schwester, alle beide, darum sei der Vater so verstört und die Mutter. Tatsächlich, am nächsten Morgen steht Otto, ihr Bruder, plötzlich im Zimmer, hechtblaue Jägeruniform, die 16
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
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