Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Rausch der Verwandlung
Seite - 38 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 38 - in Rausch der Verwandlung

Bild der Seite - 38 -

Bild der Seite - 38 - in Rausch der Verwandlung

Text der Seite - 38 -

du fürs Engadin brauchst.« »Aber Tante«, atmet ganz erschüttert die Erschreckte. »Wie komme ich denn dazu … Ich darf dir doch nicht so viele Auslagen machen. Auch das Zimmer ist viel zu kostspielig für mich, wirklich, ein einfaches Zimmer hätte reich genügt.« Doch die Tante lächelt nur und sieht sie prüfend an. »Und dann, Kind«, erklärt sie diktatorisch, »führe ich dich zu unserer Verschönerungskünstlerin, die wird dich einigermaßen zustutzen. Einen solchen Schopf wie du tragen bei uns nur noch die Indios. Paß auf, wie du den Kopf gleich freier trägst, wenn dir die Mähne nicht mehr in den Nacken hängt. Nein, keine Widerrede, das verstehe ich besser, laß mich nur machen und sorg dich nicht. Und jetzt richte dich zusammen, wir haben massenhaft Zeit, Anthony sitzt bei seinem Nachmittagspoker. Abends wollen wir dich ihm ganz frisch aufgebügelt präsentieren. Komm, Kind.« In dem großen Sportgeschäft sausen sofort Schachteln aus den Stellagen, ein schachbrettartig gewürfelter Sweater wird gewählt, ein Gürtel aus Sämischleder, der die Taille straff aufspannt, ein Paar feste rehbraune Schuhe, scharf und neu duftend, eine Kappe, knapp anliegende bunte Sportstrümpfe und allerlei Kleinigkeiten – dafür darf Christine dann in der Probierkammer die verhaßte Bluse wie eine schmutzige Rinde von sich abstreifen, und in einer Pappschachtel wird die mitgebrachte Armut unsichtbar verstaut. Sonderbare Erleichterung überkommt sie, wie die widrigen Sachen verschwinden, als wäre ihre eigene Angst in dem Paket für immer versteckt. In einem anderen Geschäft kommen noch ein paar Abendschuhe, ein leicht fließender Seidenschal und ähnliche Zauberdinge dazu; ganz unerfahren staunt Christine das neue Wunder dieser Art von Einkaufen an, dies Kaufen ohne Frage nach dem Preis, ohne die ewige Angst vor dem »zu teuer«. Man wählt, man sagt ja, man denkt nicht nach, man sorgt sich nicht, und schon schnüren sich Pakete und fliegen, von geheimnisvollen Boten besorgt, in das Haus. Noch ehe man recht gewagt hat zu wünschen, ist der Wunsch schon erfüllt: unheimlich ist das und doch berauschend leicht und schön. Christine gibt sich dem Wunderbaren ohne weitere Gegenwehr hin, sie läßt die Tante schalten und walten und sieht immer nur ängstlich weg, sobald die Tante aus der Tasche Banknoten holt, und bemüht sich rasch wegzuhören, den Preis nicht zu hören, denn es muß ja so viel sein, so unausdenkbar viel, was für sie ausgegeben wird: in Jahren hat sie nicht so viel verbraucht wie hier in der halben Stunde. Nur wie sie aus dem Geschäft gehn, kann sie nicht mehr an sich halten, faßt zuckend in überströmender Dankbarkeit den Arm der Spenderin und küßt ihr die gütige Hand. Die Tante lächelt in ihre rührende Verwirrung. »Aber jetzt noch den Skalp! Ich führe dich zur Friseurin und gebe inzwischen drüben bei Freunden meine Karte ab. In einer Stunde bist du frisch aufgebügelt, dann hol’ ich dich ab. Paß auf, wie die dich zurichtet, 38
zurück zum  Buch Rausch der Verwandlung"
Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
Weiteres Belletristik
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Rausch der Verwandlung