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Rausch der Verwandlung
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Seite - 48 - in Rausch der Verwandlung

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puderblassen Frauen auch zu wissen, denn sie lassen sich nicht sichtbar fassen und erregen von dieser allabendlich neu geheuchelten Hitzigkeit. Mit fest angeschminktem Lächeln und rastlosen berougten Händen lehnen sie locker ihren Tänzern im Arm, das kühle Geradvorsichhin ihrer Blicke scheint zu bezeugen, daß sie an etwas anderes denken oder wahrscheinlich an nichts. Sie allein, die Fremde, die Neue, Überraschte muß sich wehren, ihre Erregtheit zu verraten, ihre Blicke zu dämpfen, denn um und um fühlt sie ihr Blut geschüttelt von dieser boshaft prickelnden, dieser frech anfassenden, dieser zynisch leidenschaftlichen Musik. Und wie jetzt der aufgetriebene Rhythmus jäh abreißt und in eine Stille fällt, atmet sie auf, wie einer Gefahr entsprungen. Auch der Onkel keucht, stolz und schwer, jetzt kann er endlich den Schweiß von der Stirne wischen und sich ausprusten. Mit siegreichen Schritten führt er Christine zurück an den Tisch, und – Überraschung! – die Tante hat bereits für beide eisgekühlten Sorbet bestellt. Eben noch hatte Christine mehr mit den Nerven gefühlt als wirklich wunschhaft gedacht, wie herrlich das täte, jetzt sich die Kehle, das Blut kühlen zu können, und schon steht, ohne daß sie darum bitten mußte, eisbeschlagen ein silberner Becher bereit; märchenhafte Welt, wo ungerufen die Erfüllung den Wünschen vorausläuft: wie kann man hier anders als glücklich sein! Begeistert saugt sie das kalt Brennende, Mildscharfe des Sorbets in sich hinein, als zöge sie aus diesem einen dünnen Strohhalm allen Saft und alles Süße der Welt. Das Herz schlägt ihr stoßhaft vor Lust, in ihren Fingern zittert ein Wille nach Zärtlichkeit. Unwillkürlich sieht sie sich um, wen oder was anfassen mit einem Blick, etwas von ihrer inneren Überfülltheit, ihrer brennenden Dankbarkeit wegzugeben. Da sieht sie neben sich den Onkel, den guten alten Mann; er sitzt ein wenig zerrüttet im tiefen Sessel, noch immer schnaubt er und keucht und wischt sich mit dem Taschentuch Schweißperlen vom Gesicht. Er hat sich verzweifelt geplagt, ihr Freude zu machen, vielleicht sogar gemüht über seine Kraft; so kann sie nicht anders, dankbar und leicht streichelt sie seine schwere, faltig-harte, auf die Stuhllehne hingestützte Hand. Sofort lächelt der alte Mann auf und macht sich wieder munter. Er versteht, was die unaufhaltsame Geste dieses jungen schüchternen und eben erst erwachenden Wesens meint, mit väterlichem Wohlbehagen genießt er die überflutende Erkenntlichkeit in ihrem Blick. Aber ist es nicht unrecht, nur ihm zu danken und nicht auch der Tante, der sie allein alles schuldet, ihr Daseindürfen, den zärtlichen Schutz, das üppige Kleid und die selige Sicherheit in dieser reichen, rauschhaften Sphäre. So greift sie mit ihrer Linken nach der Hand der Tante und sitzt, beiden verbunden, strahlenden Blicks in dem lichterstrahlenden Saal wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum. 48
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
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