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Rausch der Verwandlung
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wunderbar.« Die Tante sieht sie bewundernd an. »Du Teufelsding! Gleich vom Bett aus ungefrühstückt in die Berge! Da könnte sich unsereins ein Beispiel nehmen, das täte besser als alle Massagen. But look, Anthony, sieh dir sie nur einmal an, nicht zum Wiedererkennen. Der ist die Luft gründlich in die Wangen gefahren. Du glühst ja ganz, Kind! Aber jetzt erzähl auch, wo du das alles hergeholt hast.« Und Christine erzählt und merkt nicht, wie rasch, wie gierig und unziemlich viel sie dabei ißt. Die Butterschale, Honig und Jam leeren sich unheimlich schnell, zwinkernd winkt der alte Herr dem leise lächelnden Kellner, den Brotkorb mit den weißen schmackhaften Kipfeln abermals zu füllen. Aber sie beachtet, ganz in ihre Begeisterung verloren, gar nicht das immer breitere Schmunzeln der beiden über ihren barbarischen Appetit, sie spürt nur, wie wohlig ihr die frostübertauten Wangen aufbrennen. Den Körper entspannt, kauend, schwätzend, lachend lehnt sie sich unbekümmert in den Strohfauteuil zurück, die guten Gesichter der beiden machen ihr immer neuen Mut, ungestüm prasselt sie ihre aufgestaute Begeisterung heraus, und plötzlich, ganz den erstaunten Zublick der Nachbarn vergessend, spannt sie mitten im Erzählen die Arme weit auseinander: »Ach Tante, mir war, als wüßte ich überhaupt zum erstenmal, was Atmen heißt.« So mächtig angerissen, strömt der ganze Tag an immer andern Ufern der Entzückung leidenschaftlich weiter. Um zehn Uhr, sie sitzt noch am Frühstückstisch, kein Stück Weißbrot liegt mehr im Körbchen, dermaßen gründlich hat ihr Berghunger aufgeräumt, erscheint General Elkins in seinem scharf schnittigen Sportdress und mahnt zur versprochenen Autofahrt. Hinter ihr respektvoll schreitend, geleitet er sie zu seinem Wagen – vornehmste englische Marke, spiegelnd in Nickel und Lack, der Chauffeur, helläugig und wohlrasiert, selbst ein englischer Gentleman; General Elkins macht ihr den Sitz bequem, breitet Decken über, dann erst, noch einmal besonders den Hut lüftend, nimmt er an ihrer Seite Platz. Dieser Respekt macht Christine ein wenig wirr, als Betrügerin fühlt sie sich vor der betonten und fast demütigen Höflichkeit dieses Mannes. Wer bin ich denn, denkt sie, daß er mich so behandelt? Mein Gott, wenn ei je ahnte, wie ich sonst sitze, hingenagelt auf den alten Postsessel vor dem Postpult, eingeschraubt in dumme, niedrige Handlangerei! Aber ein Ruck am Volant und schon federt die schnell wachsende Geschwindigkeit jede Erinnerung fort. Mit kindlichem Stolz bemerkt sie, wie in den engen Straßen des Kurorts, wo der Motor seine gedrängte Kraft noch nicht loslegen kann, die fremden Leute bewundernd aufblicken zu der selbst hier auffallend vornehmen Marke des Wagens, wie mit einem leichten und ehrfürchtigen Neid allerhand Blicke sich zu ihr als der vermeintlichen Besitzerin heben. General Elkins erklärt ihr die Landschaft und gerät als gelernter Geograph wie alle Fachleute dabei in Ausführlichkeiten, aber die vorgebeugte, lauschende, sichtlich aufmerksame 59
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
Weiteres Belletristik
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