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Rausch der Verwandlung
Seite - 63 -
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Seite - 63 - in Rausch der Verwandlung

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unzugehörig fühlt sie sich unter den andern, und unwillkürlich ahmt ihr Schritt den leichten sorglosen kühnen Gang der sportgemuskelten Mädchen nach. In einer Konditorei wird Rast gehalten: abermals staunt die Tante, welchen Appetit Christine entfaltet. Tut das die starke zehrende Luft oder sind vehemente Gefühle wirklich eine chemische Verbrennung von Kraft, die neu ersetzt werden muß – jedenfalls, sie vertilgt mühelos drei, vier der mit Honig bestrichenen Brötchen zur Schokolade und dann noch Schokoladenbonbons und schaumige Bäckereien: ihr ist, als könne sie unablässig so weiter essen, weiter sprechen, weiter schauen, weiter genießen, als müßte sie einen ungeheuren Hunger von Jahren und Jahren nach allem und allem in dieser grob animalischen Körperlust wettmachen. Zwischendurch spürt sie männliche Blicke von nachbarlichen Tischen sie freundlich und fragend betasten, unbewußt spannt sie die Brust, hebt sie den Nacken, hält sie einen lächelnden Mund selbst neugierig dieser Neugier entgegen: wer seid ihr, denen ich gefalle, und wer bin ich selbst? Um sechs Uhr, nach einem neuerlichen Shopping, landen sie im Hotel. Die Tante hat noch allerhand Kleinigkeiten entdeckt, die ihr fehlen. Jetzt klopft die freundliche Spenderin, der die verblüffende Verwandlung von Bedrücktheit zu Begeisterung ununterbrochen Spaß bereitet, ihr leicht auf die Hand: »Jetzt also könntest du mir einen schweren Dienst abnehmen! Hast du Courage?« Christine lacht. Was kann hier schwer sein? Hier oben in dieser seligen Welt wird doch alles zum Spiel. »Nein, stell dir’s nicht gar zu bequem vor! Du sollst in die Löwenhöhle und Anthony vorsichtig von seiner Bakkaratpartie losschrauben. Vorsichtig, ich sag dir’s gleich, denn wenn ihn wer da stört, knurrt er manchmal sogar sehr kräftig. Aber ich darf nicht nachgeben, der Arzt hat verordnet, mindestens eine Stunde vor dem Essen muß er seine Pillen nehmen, und schließlich, von vier bis sechs Pokerei im dumpfen Zimmer genügt reichlich. Im ersten Stock, Nr. 112, das Appartement von Mister Vornemann von dem großen Sprit-Trust. Dort klopfst du an und sagst Anthony nur, du kämst in meinem Auftrag, dann weiß er schon alles. Vielleicht wird er dich zuerst anbrummen aber nein, dich wird er nicht anbrummen! Vor dir hat er noch Respekt.« Nicht sehr begeistert übernimmt Christine diesen Auftrag. Wenn der Onkel gern spielt, warum soll gerade sie ihn stören! Aber sie wagt keine Widerrede, klopft also leise an. Die Herren schauen sämtlich auf von ihrem Tisch, der zu einem Rechteck lang ausgezogen auf grünem Tuch sonderbare Karos und Zahlen zeigt: junge Mädchen scheinen hier selten einzudringen. Der Onkel, erst verblüfft, beginnt breit zu lachen. »Oh I see, dazu hat dich Claire abgerichtet! Dazu mißbraucht sie dich! Meine Herren – dies ist meine Nichte! Meine Frau schickt sie, um Schluß zu machen; ich schlage vor« (er zieht die Uhr) »noch genau zehn Minuten. Das erlaubst du doch?« Christine lächelt 63
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
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