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Rausch der Verwandlung
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ungewiß. »Na, ich nehm’s auf meine Kappe«, sagt stolz, vor den Herren seine Autorität zu zeigen, Anthony. »Und jetzt ganz still! Setz dich her zu mir und bring mir Glück, ich hab’s heute nötig.« Christine setzt sich scheu halb hinter ihn. Sie versteht nichts von dem, was hier geschieht. Irgendein längliches Ding, einer Schaufel oder einem Schlitten ähnlich, hält einer in der Hand und zieht davon Karten ab, etwas wird gesagt und dann wandern runde Zelluloidmarken, weiß, rot, grün, gelb hin und her, ein Rechen kehrt sie zusammen. Langweilig ist das eigentlich, denkt Christine; daß so reiche, vornehme Männer um solche runde Dinger spielen, wie komisch; aber irgendwie ist sie doch stolz, hier dazusitzen im breiten Schatten des Onkels, neben Männern, die sicher Mächtige der Welt sind, man sieht es an ihren großen Diamantringen, an ihren goldenen Bleistiften, ihren harten und energisch ausgearbeiteten Zügen, an ihren Fäusten auch, von denen man spürt, daß sie in Sitzungen wie Hämmer auf den Tisch schlagen können; Christine sieht einen nach dem andern respektvoll an und achtet gar nicht auf das Spiel, das sie nicht versteht, und sie macht ziemlich törichte Augen, wie der Onkel sich plötzlich zu ihr umwendet und fragt: »Soll ich ihn nehmen?« Christine hat das eine schon verstanden, daß einer Bankhalter ist und gegen alle pariert, also hohes Spiel macht. Soll sie ihm zusagen? Am liebsten atmete sie: Nein, um Gottes willen nein!, nur um keine Verantwortung zu übernehmen. Aber sie schämt sich, feige zu erscheinen, so stammelt sie ein unsicheres »Ja«. »Gut«, spaßt der Onkel, »auf deine Verantwortung. Und halbpart zwischen uns.« Das unverständliche Kartenschlagen beginnt abermals, sie begreift nichts davon, meint aber zu spüren, daß der Onkel gewinnt. Seine Bewegungen werden behender, seltsam glucksende Laute rutschen ihm aus der Kehle, er scheint sich höllisch zu vergnügen. Schließlich den Schlitten weitergebend, wendet er sich zu ihr: »Ausgezeichnet hast du gearbeitet. Dafür wird aber auch redlich geteilt, da dein Part.« Er streift von seinem Haufen ein paar Spielmarken weg, zwei gelbe, drei rote und eine weiße: lachend nimmt sie Christine, ohne irgend etwas zu denken. »Noch fünf Minuten«, mahnt der Herr, der die Uhr vor sich liegen hat. »Vorwärts, vorwärts, keine Ermüdung vorschützen.« Die fünf Minuten gehen rasch um, alle stehen auf, wechseln, schieben und tauschen ihre Marken ein. Christine hat die Spielmarken auf den Tisch gelegt und wartet bescheiden unterdes an der Tür. Da ruft der Onkel: »Nun, und deine Chips?« Christine nähert sich, ohne zu verstehen. »So laß sie dir doch einwechseln.« Christine versteht noch immer nicht, da führt er sie zu einem der Herren, der nach flüchtigem Blick »Zweihundertfünfundfünfzig« sagt und zwei Hundertfrankenscheine, einen Fünfzigfrankenschein und einen dieser schweren silbernen Taler ihr entgegenhält. Die Überraschte starrt auf das fremde Geld auf dem grünen Tisch, ungewiß sieht sie den Onkel an. »Aber nimm doch«, sagt er fast böse, »das ist doch dein Anteil! Und jetzt vorwärts, wir müssen pünktlich sein.« 64
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
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