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Rausch der Verwandlung
Seite - 73 -
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Seite - 73 - in Rausch der Verwandlung

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Text der Seite - 73 -

ihrem Taumel auf. »Ja, selbstverständlich, Tante, nur diesen einen Tanz noch habe ich versprochen, nur diesen einen Tanz.« Aber in der nächsten Sekunde – und sie hat alles vergessen, sie merkt nicht einmal, daß der Onkel des Wartens überdrüssig vom Tisch aufgestanden ist, ohne ihr gute Nacht zu sagen, und denkt gar nicht daran, er könnte böse sein; überhaupt, böse und gekränkt, wer könnte das sein in dieser wunderbaren Welt! Derart unfaßbar ist ihr, daß nicht alle brennen vor Begeisterung, nicht jeder flackert und fiebert vor Übermut, vor hitzigem Behagen, daß sie im Wirbel das Gleichgewicht verliert. Zum erstenmal seit achtundzwanzig Jahren hat sie sich selbst entdeckt, und diese Entdeckung ist dermaßen berauschend, daß sie an alle Menschen außer sich selbst vergißt. Auch jetzt stürmt sie, von der eigenen Hitze getrieben, angeschnurrt wie ein Kreisel, in den Speisesaal, sich noch im Gehen ungeniert die Handschuhe abreißend (wer kann hier etwas übelnehmen?), lacht den beiden jungen Amerikanern im Vorbeigehen ein lustiges Hallo zu (sie hat allerhand gelernt) und steuert querhin zur Tante, die sie zärtlich von rückwärts anfaßt und auf die Wange küßt. Dann erst ein kleines Erschrecken: »Oh, ihr seid schon so weit? Verzeihung! … Ich hab’s gleich den beiden Kerlen gesagt, dem Percy und dem Edwin, ihr macht es nicht mit eurem schäbigen Ford in vierzig Minuten bis zum Hotel und wenn ihr noch so anpüllt! Aber sie haben’s mir nicht geglaubt … Ja, Kellner, Sie können schon servieren, gleich beide Gänge, damit ich euch einhole … also ja, der Ingenieur hat selbst gelenkt, er fährt famos, aber ich hab’s gleich gemerkt, der alte Klapperkasten kommt nicht über achtzig, da saust der Rolls Royce von Lord Elkins anders, und wie das federt … übrigens, die Wahrheit zu sagen, vielleicht war’s auch, weil ich selber ein bißchen das Lenken probiert hab’, natürlich Edwin neben mir… ganz leicht ist es, die ganze Zauberei … und dann fahre ich dich, Onkel, als ersten aus, nicht wahr, du traust dich doch … aber Onkel, was hast du denn? Bist mir doch nicht bös wegen dem bissel zu spät, nicht wahr, nein? … Ich schwör dir, es war nicht meine Schuld, ich hab’s ihnen gleich gesagt, sie machen es nicht in vierzig Minuten … aber man soll sich wirklich nur auf sich selber verlassen … ausgezeichnet ist diese Pastete, und der Durst, den ich hab’! … Ach, man weiß gar nicht, wie gut man’s hat bei euch. Morgen nachmittag soll’s wieder losgehen bis nach Landeck hinein, aber ich hab’ gleich gesagt, ich tu nicht mit, ich muß doch mit euch einmal wieder Spazierengehen, aber man hat hier wirklich keine Ruhe … « Das prasselt und flackert nur so herunter wie Feuer vom dürren Holz. Erst nach einiger Zeit, da sie ganz erschöpft stockt, bemerkt Christine, daß ihr passioniertes Erzählen gegen ein hartes und kaltes Schweigen stößt. Der Onkel blickt starr auf den Fruchtkorb, als interessierten ihn die Orangen dort mehr als das ganze Geschwätz, die Tante spielt nervös mit den Bestecken. 73
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
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