Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Rausch der Verwandlung
Seite - 78 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 78 - in Rausch der Verwandlung

Bild der Seite - 78 -

Bild der Seite - 78 - in Rausch der Verwandlung

Text der Seite - 78 -

waren gescheiter, die haben’s besser verstanden … Wirklich, ob noch ein anderes Mädel hier sitzen tat, allein im Zimmer, und unten ist es lustig und hell… nur weil der Onkel müd’ ist… Keine würde so sitzen bleiben am frühen Abend … wieviel Uhr ist denn eigentlich … neun Uhr erst, neun Uhr… bestimmt werde ich nicht schlafen können, ausgeschlossen … mir ist so furchtbar heiß auf einmal… Ja, das Fenster auf … wie gut das tut, die Kälte auf die nackte Schulter … ich soll achtgeben, daß ich mich nicht verkühle … Ach was, immer diese dumme Ängsterei, immer diese Vorsicht, Vorsicht … Was hat man schon davon … ah, wunderbar die Luft durch das dünne Kleid, ganz nackt fühlt man sich darin … wozu hab’ ich’s eigentlich angezogen und für wen, dieses schöne Kleid… kein Mensch sieht einen dann, wenn man hier im Zimmer hockt… Ob ich nicht noch rasch hinunterlaufen sollt’?… Ich müßt’ mir doch Briefpapier holen, oder eigentlich, ich könnte sie unten schreiben, die Briefe im Schreibzimmer … Da ist doch wirklich nichts dabei … Brrr, eiskalt ist das geworden, ich mach’ lieber doch das Fenster zu: eiskalt ist es jetzt herin’ … und da soll man im leeren Sessel sitzen?… Unsinn, ich lauf hinunter, da wird mir gleich warm… Aber wenn mich Elkins sieht und erzählt’s morgen der Tante, oder sonst wer?… Ach was … dann sage ich eben, ich habe die Briefe zum Portier hinuntergegeben … da kann sie doch wirklich nichts sagen … ich bleib’ doch nicht unten, nur die Briefe schreib’ ich, die zwei Briefe, dann gleich wieder herauf … Wo ist mein Mantel? Aber nein, keinen Mantel, ich komme doch gleich wieder herauf, nur die Blumen … nein, die sind von Elkins … Ach was, gleichgiltig, die passen dazu … Vielleicht daß ich zur Vorsicht noch an der Tür der Tante vorbeischau’, ob sie schon schläft … Unsinn, was brauche ich das … ich bin doch kein Schulmädel mehr … immer diese blöde Angst! Ich werde doch keinen Permiß brauchen, wenn ich für drei Minuten hinterlauf’. Also vorwärts … Und rasch, hastig und scheu läuft sie, wie um das eigene Zögern zu überrennen, die Treppe hinab. Wirklich, es ist gelungen, von der Halle, die von Tanz und Menschen brodelt, unbemerkt ins Schreibzimmer zu flüchten. Der erste Brief ist geschrieben, der zweite wird eben fertig. Da spürt sie auf der Schulter eine Hand. »Arretiert! So ein Raffinement, sich hier zu verstecken. Seit einer Stunde fahre ich in allen Ecken herum nach dem Fräulein von Boolen, alle Leute frage ich, sie lachen mich schon aus, und da sitzt sie geduckt wie das Häschen im Korn. Jetzt aber gleich los!« Der hohe schlanke Mann steht hinter ihr, wieder spürt sie den verhängnisvollen Griff bis in die Nerven hinab. Sie lächelt schwach, zugleich erschreckt von dem Überfall und doch entzückt, daß schon eine halbe Stunde ihm genügt hatte, sie so sehr zu vermissen. Aber immerhin, sie hat noch genug Kraft zur Abwehr. »Nein, ich kann heute nicht 78
zurĂĽck zum  Buch Rausch der Verwandlung"
Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
Weiteres Belletristik
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Rausch der Verwandlung