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Rausch der Verwandlung
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Seite - 81 - in Rausch der Verwandlung

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Scheinwerfer zwischen die Tannen, und offenbar hat der Führer sie bereits erspäht, denn mit einem Schlag stoppen die scharfen, schneidenden Lichter ab und der Wagen, massig und schwarz, knirscht bis knapp an sie heran. Jetzt löschen diskret auch die Innenlichter, nur der blaue Schein um den Geschwindigkeitszähler schneidet einen winzigen Kreis Farbe in die Finsternis. So schwarz trifft sie das plötzliche Dunkel nach dem eben noch schmetternden Lichtguß, daß Christine nichts unterscheiden kann, aber da öffnet sich schon der Wagenschlag, eine Hand kommt, hilft herein, hinter ihr knackt die zugefallene Klinke, gespenstig schnell das alles, wirbelnd und abenteuerlich wie im Kino; ehe sie Zeit findet Atem zu holen oder etwas zu sagen, zieht das Auto schon wieder scharf an, und in diesem ersten Ruck, der ihr den Körper unwillkürlich zurückwirft, fühlt sie sich schon umarmt und gefaßt. Sie will sich wehren, ängstlich deutet sie auf den Rücken des Chauffeurs, der wie ein kleines Gebirge am Steuer vor ihnen starr und unbeweglich sitzt, sie hat Scham vor diesem nahen Zeugen und weiß sich anderseits gerade durch seine Gegenwart vor dem Äußersten beschützt. Aber der Mann neben ihr antwortet mit keinem Wort. Sie fühlt nur warm und dringend ihren Körper umfaßt, seine Hände an den ihren, nun an ihren Armen, nun an ihren Brüsten und jetzt einen herrisch fremden, gewaltsamen Mund, der den ihren sucht, der heiß und feucht ihre allmählich nachgebenden Lippen aufbricht. Unbewußt hat sie all dies nur gewollt und erwartet, dieses Hart-Angefaßtwerden, diese heillose Jagd der Küsse über Hals und Schultern und Wangen, bald da, bald dort das heiße Brandmal auf der zuckenden Haut, und das Leiseseinmüssen vor dem Zeugen steigert auf irgendeine Art noch den Rausch in diesem brennenden Spiel. Geschlossenen Auges, ohne Wort und Willen, sich zu wehren, läßt sie sich das atmende Stöhnen vom Munde wegsaugen und genießt aus dem ganzen gebäumten, bebenden Leib empor die Lust der Lippen mit. Das alles dauert, sie weiß nicht wie lange, in einem Jenseits von Raum und Zeit, löst sich erst jäh, wie nach deutlicher Hupenwarnung des Chauffeurs, das Auto die beleuchtete Straße einfährt und vor der Bar des großen Hotels stoppt. Sie steigt aus, verwirrt, taumelnd, beschämt und richtet schnell dabei das zerdrückte Kleid, das durchgeschüttelte, zerküßte Haar. Ob es nicht jeder merken wird, aber nein, niemand sieht sie auffällig an, in der halbdunklen, überfüllten Bar, höflich geleitet man sie an einen Tisch. Ein Neues wird ihr bewußt, ein wie undurchsichtiges Geheimnis das Leben einer Frau sein kann, wie meisterlich die Maske gesellschaftlicher Haltung auch leidenschaftlichste Erregung deckt. Nie hätte sie für möglich gehalten, daß sie, die Haut noch versengt von seinen Küssen, so aufrecht, ruhig, kühl und klar neben einem Manne sitzen könne und locker mit seiner gutgeplätteten Hemdbrust Konversation machen, und vor zwei Minuten hat man noch diese Lippen 81
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
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