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Rausch der Verwandlung
Seite - 85 -
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Seite - 85 - in Rausch der Verwandlung

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Eifersucht schlug die kleine Intrigantin zu. Endlich (zwei Tage mußte sie plaudern, horchen und spähen) bekam die Geschäftige Lunte in die Hand. Friseurinnen plaudern berufsmäßig gern; wenn Hände allein arbeiten, bleiben Lippen selten still. Die flinke Madame Duvernois, deren Frisierzelle gleichzeitig Großmarkthalle sämtlicher Neuigkeiten war, lachte ein silbernes C, als sich beim Haarwaschen die Mannheimerin nach Christine erkundigte. »Ah, la nièce de Madame van Boolen« – das Lachen floß immer weiter wie der strömende Wassertusch – »ah, elle était bien drôle à voir quand elle arrivait ici«; eine Frisur wie ein Bauernmädel habe sie gehabt, dicke gerollte Zöpfe und Haarnadeln, ganz schwere und eiserne, sie habe gar nicht gewußt, daß man in Europa noch solche Scheusäligkeiten fabriziere, zwei müßte sie noch irgendwo in einer Lade haben, sie habe sie sich aufgehoben als historische Kuriosität. Das war nun eine ganz ausgiebige Spur, und mit einer beinahe sportlichen Zähigkeit verfolgte sie das kleine Luder weiter. Als nächste brachte sie das Stubenmädchen von Christines Etage geschickt zum Schwätzen, und bald kriegte sie alles heraus: daß Christine mit einem kleinen winzigen Strohköfferchen gekommen war, daß alle Kleider, Wäsche, ihr hier eilig von Frau van Boolen gekauft oder geliehen worden waren. Bis zum Regenschirm mit dem Horngriff erfuhr durch rege und trinkgeldfördernde Umfrage die Mannheimerin jedes Detail. Und da der Böswillige immer Glück hat, stand sie durch Zufall gerade dabei, als Christine ihre Briefe unter dem Namen Hoflehner erbat, und eine raffinierte lässige Frage erhielt den überraschenden Aufschluß, daß Christine gar nicht von Boolen hieße. Das war genug und übergenug. Das Pulver lag locker, nun brauchte Carla nur noch die Zündschnur richtig zu legen. In der Halle saß Tag und Nacht wie an einer Kontrollkasse, das Lorgnon als Waffe in der Hand, Frau Geheimrat Strodtmann, die Witwe des großen Chirurgen. Ihr Rollstuhl (die alte Frau war gelähmt) galt unbestritten als Auskunftei aller gesellschaftlichen Neuigkeiten und vor allem als letzte Instanz, die zwischen zulässig und unzulässig endgiltig entschied; diese militante Nachrichtenstelle im heimlichen Krieg aller gegen alle arbeitete Tag und Nacht mit fanatischer Präzision. Zu ihr setzte sich die Mannheimerin, um eilig und geschickt die kostbare Fracht abzuladen, natürlich tat sie’s in scheinbar freundschaftlichster Form: ein reizendes Mädchen sei dieses Fräulein von Boolen (das heißt man nenne sie ja nur so im ganzen Haus), wirklich, man möchte es ihr gar nicht anmerken, daß sie von ganz unten komme. Es sei doch eigentlich prachtvoll von Frau van Boolen, daß sie dieses Ladenmädel, oder was sie sonst sei, aus Gutmütigkeit für ihre Nichte ausgebe, sie mit ihren Kleidern auf nobel herrichte und unter falscher Flagge segeln ließe. Ja, die Amerikaner dächten doch in solchen Standesfragen demokratischer und großzügiger wie wir 85
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
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