Seite - 94 - in Rausch der Verwandlung
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wird nicht so arg sein. Doch keine Depesche von Dicky oder Alwin?«
»Nein, aber mach doch schon einmal fertig! Anziehen kannst du dich
später.«
»Nun?« Anthony legt endlich den Kamm hin und setzt sich ergeben ins
Fauteuil. »Nun, was ist denn los?«
»Etwas Furchtbares ist passiert. Christine muß unvorsichtig gewesen sein
oder eine Dummheit gemacht haben, alles ist aufgeflogen, das ganze Hotel
spricht davon.«
»Ja, was denn ist aufgeflogen?«
»Nun, das mit den Kleidern… Daß sie meine Kleider trägt, daß sie wie ein
Ladenmädel hergekommen ist und wir sie von Kopf bis Fuß angezogen und
als noble Dame präsentiert haben – alles mögliche reden die Leute… Jetzt
weißt du auch, warum uns die Trenkwitz geschnitten haben … natürlich sind
sie wĂĽtend, weil sie doch etwas vorgehabt haben mit ihrem Sohn und meinen,
wir hätten ihnen was vorgeschwindelt. – Jetzt sind wir kompromittiert vor
dem ganzen Hotel. Irgendeine Dummheit muĂź das ungeschickte Ding
gemacht haben! Mein Gott, was für eine Schande!«
»Wieso Schande? Alle Amerikaner haben arme Verwandte. Ich möchte mir
nicht die Neffen von Guggenheims oder gar die von Roskys unter der Lupe
anschauen, von diesen Rosenstocks, die aus Kowno gekommen; ich wette, die
sehen noch ganz anders aus. Ich verstehe nicht, warum das eine Schande sein
soll, daß wir sie anständig angezogen haben.«
»Weil … weil … « Claire wird in ihrer Nervosität immer lauter, »weil sie
doch recht haben, daß so jemand nicht hierher gehört, nicht in die
Gesellschaft … Ich meine, jemand, der … der sich eben nicht so benehmen
kann, daß man’s nicht merkt, woher er kommt … Es ist ihre Schuld … hätte
sie sich nicht so auffällig gemacht, so hätt’ man’s nicht bemerkt, wäre sie
bescheiden geblieben, so wie anfangs … Aber immer hin und her, immer
obenauf und bei allem voran, mit allen muĂź sie reden, sich beimengen, ĂĽberall
dabei sein und überall voran. Mit jedem gleich Freund … da ist es kein
Wunder, daĂź die Leute schlieĂźlich fragen, wer ist sie eigentlich und woher,
und jetzt … jetzt ist der Skandal fertig. Alle reden sie davon und machen sich
lustig über uns … schreckliche Dinge reden sie herum.«
Anthony lacht behaglich und breit: »Laß sie nur reden … es ist mir
gleichgültig. Sie ist ein braves Mädel, ich hab’ sie trotz allem gern. Und ob sie
arm ist oder nicht, geht keinen einen Dreck an. Ich habe mir von niemand hier
einen Penny geborgt und pfeife darauf, ob sie uns nobel finden oder nicht.
Wem bei uns was nicht recht ist, soll’s eben bleiben lassen.«
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Rausch der Verwandlung
- Titel
- Rausch der Verwandlung
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1982
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 204
- Kategorien
- Weiteres Belletristik