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Rausch der Verwandlung
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wieder allen Mut. Nein, denkt er, es wäre ein Verbrechen, einen jungen Menschen, der seine Kraft so selig spürt, in ein altes Schloß zu sperren, zu einem alten Mann. Nein, nicht sich abweisen lassen, nicht lächerlich werden. Nimm Abschied, alter Mann! Vorbei! Zu spät! »Wollen wir nicht zurückfahren«, fragt er mit plötzlich veränderter Stimme. »Ich fürchte, Ihre Frau Tante wird sonst besorgt sein.« »Gern«, antwortet sie, und dann begeistert: »Ach, es ist so schön gewesen, alles ist hier so einzig schön.« Er setzt sich im Wagen an ihre Seite und spricht wenig mehr, der alte Mann, traurig für sie, traurig für sich. Aber sie ahnt nicht, was in ihm, und nicht, was mit ihr geschieht, hell den Blick in die Landschaft hinaus und das Blut froh bewegt unter den windumsausten Wangen. Als sie vor dem Hotel landen, schlägt gerade der Gong. Dankbar drückt sie dem verehrten Mann die Hand und springt hinauf, um sich umzuziehen: das fliegt ihr jetzt schon so aus dem Gelenk. In den ersten Tagen ist das Toilettemachen ihr eine jedesmalige Angst, eine Anstrengung, eine Sorge und doch gleichzeitig lustvolles erregendes Spiel gewesen. Immer wieder hat sie im Spiegel das geschmückte unerwartete Wesen bestaunt, in das sie verwandelt war. Nun weiß sie schon als Selbstverständlichkeit, daß sie allabends schön ist, elegant und geschmückt. Ein paar Griffe jetzt und das Kleid fließt farbig und leicht über die gespannte Brust, ein sicherer Strich über die roten Lippen, zurechtgeschütteltes Haar, ein umgeworfener Schal und sie ist fertig, so selbstverständlich lebt sie schon in dem geliehenen Luxus wie in der eigenen Haut! Noch einen Blick über die halbe Schulter hinweg in den Spiegel: ja, gut! Zufrieden! Und schon saust sie hinüber zur Tante, sie zum Abendessen zu holen. Aber gleich bei der Tür bleibt sie verblüfft stehen: ein verwüstetes Zimmer, vollkommen ausgeräumt, halbgefüllte Koffer, über Sessel gespreizt auf Bett und Tisch verstreut Hüte, Schuhe und sonstige Kleidungsstücke, heilloses Durcheinander in dem sonst minuziös geordneten Raum. Die Tante kniet gerade im Schlafrock über einem widerspenstigen Koffer, um ihn zuzupressen. »Was … was ist denn?« staunt Christine. Die Tante blickt mit Absicht nicht auf, sondern drückt erbittert mit rotem Gesicht auf den Koffer weiter, während sie zugleich stöhnend erklärt: »Wir reisen … oh, verfluchtes Ding!… Wirst du zugehen … wir reisen fort.« »Ja, wann? … Wie?« Der Mund springt Christine auf, sie kann keinen Muskel rühren. 98
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
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