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Normen sind im Kontext der historischen, ökonomischen und politischen
Gegebenheiten zu sehen.104 Kischel nennt dies prägnanter kontextuelle
Rechtsvergleichung.105 Jackson mahnt in dem Sinne dazu, den Kontext, in
den Normen eingebettet sind, und die Eigenheiten von Rechtssystemen
bzw Institutionen nie außer Acht zu lassen, da man ansonsten Gefahr
läuft, falsche Annahmen zu treffen.106 Funktionen und Konzepte können
auf den ersten Blick gleich, aber in verschiedenen Gesellschaften (rechtlich
und tatsächlich) sehr unterschiedlich wirken. Deshalb ist ein tiefergehen-
des Verständnis der Materie erst möglich, wenn die Eigenheiten und der
soziopolitische und historische Kontext verstanden werden. In Bezug auf
vorliegende Arbeit ist auch der migrationssoziologische Kontext relevant.
Keinesfalls außer Acht gelassen wird die Kritik an der funktionalen Me-
thode,107 wobei ich mich in der Folge einem Kritikpunkt und in Einlei-
tung D.I.1. einem weiteren annehmen werde.108 So wird etwa kritisiert,
dass dem Recht eine Funktion unterstellt wird, es jedoch schwierig bzw
unmöglich sei die Funktion zu ermitteln.109 Richtig ist, dass eine Rechts-
norm – je nach eingenommener Perspektive – unterschiedliche Funktio-
nen erfüllen kann. Dies bedeutet umgekehrt aber nicht, dass diese nicht
betreffend eine ganz bestimmte Funktion geprüft werden kann, insofern
diese Vorgehensweise ausreichend klar dargelegt wird. Da diese Kritik be-
rechtigt ist, werde ich in der Folge darlegen, dass ich die Rechtsnormen
grob gesprochen aus der Perspektive irregulär aufhältiger Migrant*innen
beleuchte.110 Bereits ausgeführt wurde, dass ich Regularisierungen dahin-
gehend untersuche, ob und inwiefern sie als wirksames aufenthaltsrechtli-
ches Steuerungsinstrument zur „Bekämpfung“ des irregulären Aufenthalts
104 Kischel, Rechtsvergleichung §3 Rn200ff; Legrand, How to Compare Now, Legal
Studies 1996, 232 (236); in dem Sinne auch Bell in Harding/Örücü; Von Busse,
Rechtsvergleichung 344; Glaser, Handlungsformenlehre 67f. Kritisch Franken-
berg, ICON 2006, 441f. Vgl zur Bedeutung des kulturellen Umfelds Kischel, Vor-
sicht, Rechtsvergleichung! ZVglRWiss 2005, 10 (20ff) und Legrand, European
Legal Systems are not Converging, ICLQ 1996, 52 (56f).
105 Kischel, Rechtsvergleichung §3 Rn182, 199ff.
106 Vgl Jackson in Rosenfeld/Sajó 66f und 70-72 mwN; weiters Sommermann,
DÖV 1999, 1023; Van Hoecke/Warrington, ICLQ 1998, 496f, 532 mwN; Tushnet,
Weak Courts 10ff.
107 Für einen Überblick siehe Kischel, Rechtsvergleichung §3 Rn6ff und Piek, Die
Kritik an funktionalen Rechtsvergleichung, ZEuP 2013, 60 (62ff).
108 Siehe dort die Ausführungen zu den Besonderheiten bei der Analyse des „heimi-
schen“ Rechts.
109 Kischel, Rechtsvergleichung §3 Rn7.
110 Siehe Einleitung D.II.
Einleitung
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https://doi.org/10.5771/9783748902720, am 28.01.2020, 12:12:37
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Titel
- Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
- Untertitel
- Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Autor
- Kevin Fredy Hinterberger
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0272-0
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 514
- Kategorie
- Recht und Politik