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einen der Grundpfeiler des völkerrechtlichen Fremdenrechts dar.192 Nach
dieser ist die Macht und das Recht „to admit and exclude aliens“193 ein
Ausfluss staatlicher Souveränität. Folglich entscheidet jeder Mitgliedstaat
eigenständig über die Genehmigung des Aufenthalts von Migrant*innen
bzw umgekehrt über die Frage, ob sie irregulär aufhältig werden.
Diese Sichtweise greift jedoch zu kurz. Das Recht die Einreise und den
Aufenthalt von Migrant*innen zu genehmigen ist gerade nicht uneinge-
schränkt, auch wenn die Staaten hierbei einen (weiten) Entscheidungsspiel-
raum194 genießen.195 Einerseits schränken die Menschenrechte dieses Recht
ein. Speziell Art 3 und 8 EMRK bieten einen gewissen Ausweisungsschutz,
der an anderer Stelle noch näher dargestellt wird.196 Dies wurde vom EGMR
bereits 1985 im Fall Abdulaziz und in der Folge auch vom EuGH bestätigt.197
Andererseits schränkt das Europarecht den Spielraum der Mitgliedstaaten
für eigenständige bzw abweichende nationalstaatliche Regelungen ein.198
In dem Zusammenhang bietet ein Werk von Costello betreffend die
Menschenrechte von Migrant*innen und Flüchtlingen im Unionsrecht
eine interessante Perspektive. Die Autorin argumentiert darin: „The EU is
a transformative political space, and in taking decisions out of the exclu-
sive domain of the State, the underlying assumption of the confluence of
territory, authority, and rights is undone, destabilizing the statist migra-
tion control assumption“.199 Ihrer Ansicht nach begründen einige EU-
192 Vgl Martin, The Authority and Responsibility of States in Aleinikoff/Chetail
(Hrsg), Migration and International Legal Norms (2003) 31; Nafziger, The Gen-
eral Admission of Aliens under International Law, AJIL 1983, 804; Krohne, Die
Ausbürgerung illoyaler Staatsangehöriger (2013) 163.
193 Bosniak, Human Rights, State Sovereignty and the Protection of Undocumented
Migrants under the International Migrant Workers Convention, International
Migration Review 1991, 737 (754).
194 Im Englischen wird üblicherweise der Begriff „discretion“ verwendet; siehe
Guild, Discretion, Competence and Migration in the European Union,
EJML 1999, 61 (63f).
195 Vgl grundlegend Goodwin-Gill, International Law and the Movement of Persons
between States (1978); Cornelisse, Immigration Detention and Human Rights:
Rethinking Territorial Sovereignty (2010) 161ff, 176ff.
196 Siehe Fn 522.
197 EGMR 28.5.1985, Abdulaziz, Cabales und Balkandali/Vereinigtes Königreich,
9214/80, 9473/81 und 9474/81, Rn67; EuGH 27.6.2006, C-540/03,
ECLI:EU:C:2006:429, Parlament/Rat, Rn55.
198 Vgl Tewocht, Auf dem Weg zur Gleichstellung von Drittstaatsangehörigen und
Unionsbürgern? – Zu Inhalt und Reichweite der sogenannten ‚Rahmenrichtli-
nie‘, ZAR 2012, 217 (218 Fn6 mwN).
199 Costello, Human Rights 24.
Kapitel 1 – Die Mehrebenenanalyse der Aufenthaltsrechte von Migrant*innen
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https://doi.org/10.5771/9783748902720, am 28.01.2020, 12:12:37
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Titel
- Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
- Untertitel
- Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Autor
- Kevin Fredy Hinterberger
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0272-0
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 514
- Kategorie
- Recht und Politik