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die „floating nature“ ihrer staatlichen Souveränität akzeptieren müssen.415
Der Autorin ist in diesem Punkt zuzustimmen, da dies einem besseren
Verständnis des Souveränitätsbegriffs heutzutage entspricht: Auf den ers-
ten Blick scheint es – zumindest oberflächlich – als ob die Mitgliedstaaten
akzeptieren müssten, dass sie ihre staatliche Souveränität in einem Kernbe-
reich verloren haben. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch klar, dass dies
nicht zutrifft. Kostakopoulou argumentiert vielmehr, dass Staaten nicht we-
niger souverän sind, wenn sie in einem Kernbereich nicht mehr alleine
entscheiden können. Vielmehr ist es genau andersherum, da sich die Mit-
gliedstaaten mit einem der Kernbereiche der Staatssouveränität – den Auf-
enthaltsrechten von Migrant*innen – gar nicht mehr oder weniger ausein-
andersetzen müssen. Folglich verfügen sie nach der Ansicht von Kostako-
poulou über mehr Kapazitäten „to perform their primary functions as
providers of protection and welfare maximizers and thus to elicit the sup-
port of their citizens“.416 Sollten die Mitgliedstaaten daher akzeptieren,
dass sie weniger souverän im traditionellen Sinne sind, würde sich da-
durch für sie die Möglichkeit eröffnen ihre primären Staatsfunktionen zu
stärken.417 Darunter fallen etwa Sicherheit, der Grundrechtsschutz, Demo-
kratie oder soziale Sicherheit.418 Weiters könnte man argumentieren, dass
eine geteilte Souveränität zwischen der EU und den Mitgliedstaaten die
Migrationspolitik und folglich das Migrationsrecht effektiver macht. Letz-
teres steht im Einklang mit der in der vorliegenden Arbeit vertretenen An-
sicht in Bezug auf Regularisierungen und das komplementäre Konzept der
„Einwanderung von innen“.419
Insgesamt sollte der öffentliche und rechtliche Diskurs die Veränderung
der nationalen Rechtsordnungen im Hinblick auf die Aufenthaltsrechte
von Migrant*innen und den irregulären Aufenthalt berücksichtigen, um
den „fetishism of indivisibility“420 der staatlichen Souveränität zu überwin-
den. Dadurch kann der Weg frei gemacht werden für eine gemeinsame
und alle Themenbereiche umfassende Migrationspolitik der EU.421
415 Kostakopoulou, Floating Sovereignty: A Pathology or A Necessary Means of State
Evolution?, Oxford Journal of Legal Studies 2002/22, 135 (156).
416 Kostakopoulou, Oxford Journal of Legal Studies 2002/22, 155f.
417 Nicht eingegangen wird darauf, ob es überhaupt „objektive“ bzw „primäre“
Staatsfunktionen gibt, da dies über den Rahmen der vorliegenden Arbeit hin-
ausgehen würde.
418 Vgl Kostakopoulou, Oxford Journal of Legal Studies 2002/22, 149f.
419 Siehe Kapitel 6.A.
420 Howse/Nicolaidis in Broude/Shany 165.
421 Siehe Kapitel 6.D. E. Resümee
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https://doi.org/10.5771/9783748902720, am 28.01.2020, 12:12:37
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Titel
- Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
- Untertitel
- Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Autor
- Kevin Fredy Hinterberger
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0272-0
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 514
- Kategorie
- Recht und Politik