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Vor der Analyse der Netzwerke sollen im ersten, biographietheoretischen
Teil der Untersuchung Richard Schaukals Strategien der Subjektivierung und
Selbstpositionierung erörtert werden. Dabei rücken vor allem sein Verhältnis
zur Fotografie und die Aneignung des biographischen Genres als Mittel der
Selbstinszenierung indenAnalysefokus.
Mit Bezug auf dieNetzwerkforschungundBourdieus Sozioanalysewidmet
sich die Studie im zweiten Teil der Frage, welcheMöglichkeiten Schaukal zur
Verfügung standen, um sich in den literarischen Feldern undNetzwerken der
Modernegewinnbringendzupositionieren. IndiesemZusammenhangwirdun-
tersucht,welcheGesten, Posen,DiskurseundNarrative, etwades literarischen
GelingensundScheiterns, indenKorrespondenzenzirkulierten,welcheMacht-
ansprüche und Vormachtstellungen imAustauschmit anderen Schriftstellern
verbalisiert, eingenommen oder verfehlt wurden und welche Kontakte zu
Schaukals ökonomischemErfolg oderMisserfolg im kulturellen Feld beigetra-
gen haben. Habitus und Kapitalsorten werden als biographische Kategorien
adaptiert, um innere Prozesse undäußereUmstände zirkulär in ein biographi-
schesGesamtbildeinzuschließen.
Bis etwa 1905 positionierte sich Schaukal als Verfechter einer zweckfreien
Kunst. Demnachhätten kommerzielle Ziele– etwaVerlagshonorare– von gerin-
gem Belang sein müssen. Mit Bourdieu gesprochen erfolgt die „Legitimierung
sozialer Unterschiede“, auf die auch Schaukal abzielte, einerseits über dieNega-
tion„niederer,grober,vulgärer“PopulärkulturundandererseitsüberdieAdaption
zweckfreier Kunst.50 Doch funktionierte dieses Entgegenlaufen von ästhetischen
und ökonomischen Ansprüchen für Schaukal und sein Agieren im kulturellen
Feld? Ist, wie Bourdieu zudem behauptet, die ästhetische Einstellung stets von
denmateriellen Existenzbedingungen abhängig und der Erwerb von kulturellem
Kapital„nurumdenPreisgleichsameinesRückzugsausderSphärederökonomi-
schen Notwendigkeit möglich“?51 Und über welchen Aktionsradius verfügte ein
Akteurwie Schaukal, der sich inhomogenenSozialstrukturenbewegte?Konnten
Gruppenidentitätenüber postalischeDiskurse gestiftetwerden?Welche besonde-
renFormender Interaktion, IntertextualitätundIntersubjektivität tratengerade in
Künstlerzirkeln auf? Diese Reflexionen berühren eine zentrale Frage sowohl der
um1900wirkendenLiteratenalsauchdergegenwärtigenBiographiewissenschaft:
Wie kanndas Ineinandergreifen vonUmwelt, Kunst undLebenbeziehungsweise
50 Bourdieu:Die feinenUnterschiede,S. 27.
51 Bourdieu:Die feinenUnterschiede,S. 100.
12 Einleitung:WiderspruchsgeisteinesBeamtendichters
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Titel
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Autor
- Cornelius Mitterer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorien
- Weiteres Belletristik