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sich die Interessen und Fähigkeiten der anderen Akteure zunutzemacht, um
nichtzusagen,siesicheinverleibt.
Die vorliegendeUntersuchung setzt keine quantitative, computergestützte
undgraphischeNetzwerkvisualisierungum.DerErkenntnisgewinnderVisuali-
sierungwürdedurchdie Zentrierung auf Schaukal zu gering sein. ImZentrum
stehen Fragestellungen und die terminologische Verschaltung von Netzwerk-
forschung, Biographietheorie und Literaturwissenschaft, um den Fokus auf
zum Teil unerwartete literarische Beziehungen und biographische Positionie-
rungen von Akteuren im sozialen Raum zu lenken. Netzwerkanalysen richten
denBlickauchaufdasNicht-Vernetzte141undaufAkteure,dieausdenKonstel-
lationen sozialer Ordnung ausgeschlossen sind. Die Gefahr, Hierarchien und
Machtkonstellationen aufgrund der flachen Struktur vonNetzwerken zu über-
sehen,sollmitBezugaufBourdieusFeldbegriff eingedämmtwerden.
EineVerbindungzwischenNetzwerkforschungundFeldtheorie besteht zu-
nächst im „methodologischenRelationismus“;FeldundHabitus seien „Bünde-
lungenvonRelationen“, soLoïcWacquant. Einenicht-relationaleKategorie sei
hingegen dasKapital, womit individualspezifisch die Einsatzmittel bezeichnet
werden,die jedemAkteurzurVerfügungstehen,umsich imFeldzupositionie-
ren. Diese Einsatzmittel, aus denen einflussreiche und komfortable gesell-
schaftliche Positionen resultieren können, sind in quantitativ ausgerichteten
Netzwerkanalysennicht leicht darzustellen. Bourdieus Kritik anderNetzwerk-
forschung betrifft ihre empirische Ausrichtung auf die Interaktionsbeziehun-
gen, die etwadie Kapitalstruktur ausblende.142 Auf der anderenSeite lässt sich
auch Bourdieus Auffassung von Kapital und seiner Wirkmacht in der sozialen
Weltkritisieren.Für ihnbedeutenalleAustauschprozessePositionierungskämpfe,
ganzgleich,obessichumpersönlicheGesprächeoderkaritativeZielehandelt.
NetzwerktheorieundBiographik zeichnensichdurchmethodischeKompati-
bilität aus. IhrReiz scheint gerade imZusammenspiel vondiskursiver,methodi-
scherund technologischerAnschaulichkeit zu liegen. PierreBourdieuvergleicht
in seinen soziologischenErklärungendie sozialeWeltmit physikalischenKraft-
feldern. Die Akteure bewegen sich darin dynamischen Elektronen gleich. Auch
DavidNye spielt in seinerAnti-Biographieüber ThomasEdison auf Phänomene
derNaturan:„WiebeieinemElektron ineinemOrbitalkonnte ichseineEnergie
141 Vgl.Osterhammel:DieVerwandlungderWelt,S. 1010.
142 Vgl. LoïcWacquant:AufdemWegzueinerSozialpraxeologie. StrukturundLogikderSo-
ziologie Pierre Bourdieus. In: Pierre Bourdieu und LoïcWacquant: Reflexive Anthropologie.
AusdemFranz. vonHellaBeister. Frankfurt amMain1996,S. 17–93,hierS. 34–40.DieseAuf-
fassunggreiftRogerHäußlingkritischauf:RelationaleSoziologie. In:HandbuchNetzwerkfor-
schung,S.63–87,hierS.68.
38 Einleitung:WiderspruchsgeisteinesBeamtendichters
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Titel
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Autor
- Cornelius Mitterer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorien
- Weiteres Belletristik