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Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
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verflochten. Schaukal wählt für diesen unstrukturierten Gedankenstrom einen Plauderton, denHermannBahrmit seinenLiteraturkritikenals ‚Causerie‘ einge- führt hatte. Dabei überlagern die moralphilosophischen Sentenzen und ein subjektiver Stil die biographischeAuseinandersetzungmit Kraus. Schaukal dis- tanziert sich aber auchvonbiographischenStrukturierungsnormen, die vonder GeburtüberdieEntwicklungzumbedeutendenProtagonistenbis zudessenTod die konventionelle Biographie in drei Teile gliedert. Kenntnisse über Person, LebenundWerkwerdenvorausgesetzt undKraus (der „einseitigeSatiriker“) für dieSelbstpositionierung(Schaukalals„vielseitigerDichter“) instrumentalisiert.89 Schaukal macht keinen Hehl aus der eigennützigen Aneignung: „Wenn ich heuteKarlKraus,wie er aufmichgewirkthat, darzustellenunternehme,hatdie Darstellung mit mir zu rechnen: ich kann mich darin nicht unterschlagen.“ Denn, soSchaukal inAnlehnungandiehermeneutischeBiographik, „derwahr- haftige Kritiker eines völligen Eindruckes vermittelt schaffend seinerseits den EindruckdesGanzen.“90Hierbezieht sichSchaukal aufDilthey,derdas„Wieder- findendes Ich imDu“alsepistemologischenKernderBiographiebezeichnete.Für DiltheybestehtdieMöglichkeiteines intersubjektivengeistigenAustauschsvonIn- dividuen, die sich in die Totalität einerUniversalgeschichte eingliedern; dieWelt könne jedochnicht allein auf biographischeWeise erklärtwerden, dadas Indivi- duumder „Kreuzungspunkt für Kultursysteme [und]Organisationen“ sei, „in die seinDaseinverwobenist.“91 Schaukal bezeichnet seine essayistischenTexte über Personennie als Bio- graphien, sondern als Portraits, Selbstdarstellungen oder Monologe. Die geis- tig-künstlerischeMentalität der behandelten Protagonistenwird intersubjektiv dargestellt. In diesem Zusammenhang ist ein Aspekt von Interesse, der von SchaukalsüberbordendemSchreibflusskaschiert zuwerdendroht. SeineTexte lassen einenHang zur „Subjektivität des Biographen“ erkennen,mit dem sich zumBeispielWolfgang Hildesheimer in den 1970er Jahren auseinandersetzen sollte. DerVerfasser der bereits erwähnten streitbarenMozart-Biographie (eine Gattungsbezeichnung, gegen die Hildesheimer sich wehrte) meinte, er habe beim Abtippen seines Vortragstitels „Der Biograph als Autobiograph“ statt ‚Auto‘ ‚Anti‘ geschrieben. An diese Freud’sche Fehlleistung knüpft Hildeshei- mer seine Kritik am Biographiebegriff, die ihn zu der Überlegung führt, sein Mozart-Buch sei eigentlich ein „Monolog“.92 Natürlich erreicht die Zentrierung 89 Schaukal:KarlKraus,S.41–43. 90 Schaukal:KarlKraus,S. 17. 91 Dilthey: DerAufbauder geschichtlichenWelt in denGeisteswissenschaften. Frankfurt am Main1981,S. 235undS.310. 92WolfgangHildesheimer:DieSubjektivitätdesBiographen,S. 285–286. 3 BiographiealsSelbstreflexion 75
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Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
Titel
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
Autor
Cornelius Mitterer
Verlag
De Gruyter Open Ltd
Ort
Berlin
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-061823-5
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
312
Kategorien
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