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Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
Seite - 78 -
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bezeichneter Abriss beschreibt formal und inhaltlich konzise Karl Kraus’Wirk- machtunddeutetdessenvitaactivaan: 1899 schuf er sich inder zwanglos erscheinendenZeitschrift „DieFackel“, die er allmĂ€h- lich ohne Mitarbeiter bestreitet, die seiner UnabhĂ€ngigkeit taugliche BĂŒhne. Er erlangt Ruf, der, angefeindet, sich als Ruhm ausbreitet. Dem Schweigen, das ihn einzumauern droht, tritt er als sein eigenerVorleser herausfordernd entgegen. Fehdenmit zweifelhaf- ten GrĂ¶ĂŸen des Schrifttums machen den jeden Gegner erledigenden Unbedingten ge- fĂŒrchtet. Aber der begeisterte Anhang insbesondere des Meisters beschwörenden und verkörpernden Vortrags – er liest vor allem Shakespeare undNestroy –wĂ€chst zur Ge- meinde. Als Vorleser bereist er die NachbarlĂ€nder. Auch in Paris wird er gefeiert. Mehr undmehr vertieft er sichmit leidenschaftlicher Liebe und scharfsichtiger Erkenntnis in diedeutscheSprache,derenGesetzeerklarlegt. Kraus lebt inWien, dessen Luft ihm, demauch alsHasser eingefleischtenÖsterrei- cher, einzig taugt. DerDienst amWort, dieArbeit, der er dieNachtweiht, ist ihmgleich FlaubertZielundGehaltdesDaseins.100 SchaukalsDichtung, seineLiteraturkritikunddieessayistischenLebensbeschrei- bungen sind mit Alois Hahn als „Biographiegeneratoren“ zu bezeichnen.101 Hahnmeint damit narrative Organisationen (Institutionen undDiskursformen), die eine introspektiv ausgerichtete, aber von einer kontrollierenden Instanz ein- geforderte Selbstbekenntnis, Selbstauslegung und Auseinandersetzungmit der Vergangenheit einfordern.HahnerlĂ€utertdasPrinzipderBiographiegeneratoren anhandder Soziologie der Beichte als religiöse Projektionendes Selbst.102 Auch Schaukalsauto-biographischeFragmenteverweisenaufeinenschöpferischenEr- weckungsmoment und werden von ihm selbst als ‚SelbstergrĂŒndung‘ oder ‚Selbsterkenntnis‘ bezeichnet. Die biographischeReflexivitĂ€t, der Schaukal eine kontinuierlicheĂ€sthetisch-poetologischeSelbstreflexionandieSeite stellt, ist als Reaktion auf die Zeit, auf ihre soziale, Ă€sthetische, technischeund ideologische HeterogenitĂ€t zu verstehen. Sie eignet sich als gedanklich-ideologische Wir- kungsstĂ€tte zur Bildungneuer SelbstentwĂŒrfe, die in Schaukals biographischen Schriftenbesondersevidentsind. In Anlehnung an Peter Braun und Bernd Stiegler, die die Entwicklung biographischerErzĂ€hlformenbisheute ineinemkreativenSpannungsverhĂ€lt- nismit der Entwicklung des Romans parallelsetzen und ihre Gemeinsamkeit im „Reflexiv-Werden“der erzĂ€hltechnischenBedingungenundMöglichkeiten 100 Schaukal:KarlKraus,S. 72. 101 AloisHahn: IdentitĂ€tundSelbstthematisierung. In:SelbstthematisierungundSelbstzeug- nis: Bekenntnis und GestĂ€ndnis. Hg. von Alois Hahn und Volker Kapp. Frankfurt amMain 1987,S.9–24,hierS. 12. 102 Vgl.Hahn:KonstruktionendesSelbst,derWeltundderGeschichte,S. 197–236. 78 I PoseundSubjektivierung imLebenRichardSchaukals
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Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
Titel
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
Autor
Cornelius Mitterer
Verlag
De Gruyter Open Ltd
Ort
Berlin
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-061823-5
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
312
Kategorien
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