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Kunstwerke zu bannen. Seltener in Novellen, der Regel nach ins Essai, in denAphoris-
musoder indenspielendgemeistertenVers.15
Was in diesem 1926 verfassten Beitrag über Schaukal nachwirkt, ist die zur
Jahrhundertwende vorherrschendeAusrichtungderWienerDichter auf die im-
pressionistischekleineForm.DagmarLorenz siehtdarin eineantihistoristische
Position, die auch für Schaukal bezeichnend war und sich in seinen späten
Werkenfortsetzte:
DemaufDauerundVerewigungangelegtenkünstlerischenEntwurf,wie er indenStein-
MonumentenderRingstraße zubesichtigenwar,wie er sichaber auch imbedeutungser-
heischenden Pathos des Historien-Dramas ausdrückte, antworteten die auf Flüchtigkeit
intensiverMomenteangelegten ‚kleinenFormen‘derWienerModerne,wieetwadie feuil-
letonistisch-impressionistische Skizze (Altenberg) oder der lyrische Einakter (Schnitzler,
Hofmannsthal).16
1902und 1903 ermutigtenFranzBlei undThomasMannSchaukal, einenRoman
zuverfassen.17AuchderAutordes InselVerlagsArthurSchurig (1870–1929)emp-
fahlwenige Jahre darauf, er solle „endlich dasGebiet betreten,was nun einmal
denwirklich großen Erfolg allein zu verleihen imStande ist, das Gebiet des Ro-
mans.“18 „Sie entwickeln sich jetzt sehr ins Große, wirklich Große“, empfindet
nachderLektürevonGroßmutter (1906)AlfredKubin,der seinemFreunddiekul-
turkritischen Essays austreiben wollte: „Abhandlungen über ‚Kleider‘ etc. – so
sehrsieauchrechtschaukalischsind,befremdenmich.“19Auchderseinerzeitein-
flussreicheSchriftstellerKarlHansStrobl (1877–1946)standSchaukals fragmenta-
rischerProsaablehnendgegenüberundempfahl ihm,einenRomanzuschreiben:
„Entgegen Ihrer Ansicht bin ich auch derMeinung, daß der Roman keineswegs
eineüberlebteKunstgattungsei, imGegenteil, ichhalte ihn fürdieKunstgattung,
die inunserer Zeit nochamallermeistenzu sagenhatundzu sagenhabenwird,
mehrals imDrama,dessenVerfalldochvonTagzuTagdeutlicherwird.“20
Abgesehen von seinen Novellen veröffentlichte Schaukal keine längeren
Prosaarbeiten. IneinemspätenAufsatz fassteSchaukal seineAbneigunggegen
15 X. Y. Z.: Richard Schaukal. Eine Studie über ein österreichisches Dichterschaffen. In: Die
Quelle. Sonntag-Beiblatt für Literatur, Heimatkunde und Kultur der Reichspost, Nr. 341/1926
(12.Dezember1926),S. 19–20,hierS. 20.
16 Lorenz:WienerModerne,S.75.
17 Vgl. den Brief Bleis an Schaukal, 23. März 1902, S-NL, WB; und den Brief Manns vom
1. August 1903 an Schaukal in: Girardi (Hg.): Thomas Mann: Briefe an Richard Schaukal,
S. 71 (TMSch42).
18 BriefSchurigsanSchaukal, 25. Juni 1906,S-NL,WB.
19 BriefKubinsanSchaukal, 13. Juni 1906,S-NL,WB.
20 BriefStroblsanSchaukal, 11. Juni 1914,S-NL,WB.
98 III Schaukal inNetzwerkenundFeldernderModerne
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Titel
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Autor
- Cornelius Mitterer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorien
- Weiteres Belletristik