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UnterhaltungszweckderKunst. Ermokierte sichüberdie zwei Jahre zuvor inBer-
linundMüncheneröffneten literarischenKabaretts ‚ElfScharfrichter‘beziehungs-
weise ‚Überbrettl‘, derenTheaterparodiengroßenZulauferhielten.24Diesenstellte
erdieLyrikalsgenialeGattungvonreinkünstlerischemWertentgegen:
Lyrikhatabermitdem„Brettl“nichtszu tun. (Trotzaller„Überbrettl-Bewegung“, dieübri-
gens schon langenichtsmehr„bewegt“, keinGliedundkeine „Interessenten“.)Wedekind
singt „mit Gefühl“. Aber das ist Artistengefühl, „Berufs“-Freude gewissermaßen. Lyrik ist
aber garnichtsBerufsmäßiges (wennheute auchdieLiteraturknabeneinemfastdieÜber-
zeugungaufdrängten).Lyrik istRausch.25
1.1 Erfolge inMünchen
Dass,wiesooftbeiSchaukal, auch indieserAussagepersönlicheKränkungund
poetische Stellungnahme eng miteinander verbunden sind, offenbaren seine
Briefwechsel zurEntstehungszeit jener „Porträtskizze“, als er sich inder literari-
schen Szene Münchens zu etablieren begann. Aus den Korrespondenzen mit
FranzBlei sowiemit ThomasundHeinrichManngeht hervor, dass Schaukal in
der Isarstadt zunächst als Dramatiker reüssieren wollte und dabei keineswegs
die Kabarettszene außer Acht ließ. Zu diesem Zweck hatte er mit Marc Henry
(eigtl. Achille d’Ailly Vaucheret, 1873–1943), demMitbegründer undGeschäfts-
führerder ‚ElfScharfrichter‘Kontaktaufgenommen.DassSchaukalnoch1901an
einerVermittlungseinerGedichteandiespätergeschmähteKabarettbühne inter-
essiert war, belegt ein Brief ThomasManns: „EineDame, die auf demhiesigen
Überbrettl der ‚11 Scharfrichter‘auftreten soll, suchtnachpassendenGedichten,
und[ich]bemühemich, ihreinigesvondenIhrigennahezulegen.“26
HenrywarzudemVerlagsleiterundgabdieZeitschriftRevuefranco-allemande
heraus, für die auch Schaukal Beiträge lieferte. Der Publizist war im Besitz
von Schaukal-Manuskripten (und vermutlich auch der Rechte), die der Dichter
für eine geplante Veröffentlichung des Lyrikbandes Sehnsucht bei Seemann
zurückforderte.Weil Henry nicht antwortete, aktivierte Schaukal seine Kontakte
inMünchen,dochwederHeinrichnochThomasMannoderFranzBlei intervenier-
ten. Blei, der zwischen 1901 und 1904 als Regisseur der ‚Scharfrichter‘ tätigwar,
meinte resignativ: „Henry ist ein sehr liebenswürdiger Mensch, aber Geschäfte
darfmanmit ihmnichtmachen. Ichkann IhnennurdenRat geben, sichumdie
24 Vgl.PeterSprengel:Literatur imKaiserreich.StudienzurModerne.Berlin1993,S. 132.
25 Schaukal:FrankWedekind.EinePorträtskizze,S.9.
26 BriefMannsanSchaukalvom7. Juli 1901, in:Girardi (Hg.):ThomasMann:BriefeanRichard
Schaukal,S.29 (TMSch4).
100 III Schaukal inNetzwerkenundFeldernderModerne
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Titel
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Autor
- Cornelius Mitterer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorien
- Weiteres Belletristik