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die Pfaidler schwatzen über dieWissenschaft, und dieHandwerksleute der öffentlichen
MeinungüberdieKunst; ohnedie Stütze einer sicherenWeltanschauungverliert dieGe-
genwart die FähigkeitWerte zubeurtheilen; imSchlammder alles überflutendenMittel-
mässigkeit versinkt die Ehrfurcht vor dem Recht der Persönlichkeit. Der dereinstigen
HerrschaftderGeistigendieWegezubahnen:daswarundistunserProgramm.97
NebenderWienerRundschaupubliziertenauchandereBlätter inunregelmäßigen
Abständen Beiträge von Jung-Wien.An der schönen blauen Donau (1886–1896),
die 1890 in Brünn gegründeteModerne Dichtung, die nach einem Jahrgang in
WienalsModerneRundschau fürebenfallsnureinJahrerschienunddanninBer-
lin als naturalistischeFreie Bühne für denEntwicklungskampf der Zeit fortgesetzt
wurde,außerdemdieWienerLiteraturzeitung (1891–1893),dieLiebelei (1896)und
ebendieWiener Rundschau (1896–1901): Sie alle zeugen von einemschnelllebi-
genMarkt,derdurchKonkurrenzdruckundeinehoheFrequenzanGründungen,
NeugründungenundKonkursengeprägtwar.
Im Feld der literarisch ausgerichteten Zeitschriften wiederholte sich die
marginaleRolleösterreichischerVerlage.DasausderNeuenRevue (1893–1898)
hervorgegangeneWochenblattDieWaage steht symptomatisch für einenallge-
meinenSchwerpunktwechsel von literarisch-kulturellen zuvermehrt tagespoli-
tischenundwirtschaftlichenInhalten.98
MitBlickaufdenHochbetrieb imZeitungswesenspielte fürdieVerbreitung
derWerke Jung-Wiens und für die theoretischen Vorgaben der Moderne Her-
mann Bahr eine gewichtige Rolle als Stichwortgeber und Literaturvermittler.
Als einflussreicherAkteur in–undMitinitiator desKulturtransfers zwischen–
Berlin, Paris undWien lenkte er sowohl die Zirkulation bestimmter Themen
undProgrammeals auchdie Erfolge der von ihmprotegiertenDichter undbe-
einflusst somit bis heute das Bild der Literatengruppe Jung-Wien.99 Das 1894
vonBahr, Isidor Singer (1857–1927) undHeinrich Kanner (1864–1930) gegrün-
deteWochenblattDie Zeit stellte einewichtige Publikationsmöglichkeit für die
Akteuredes JungenWiendar; die ästhetischeAusrichtungbestimmte ihr leiten-
derKulturredakteur–HermannBahr.100Solchendynamischenundprozessualen
Bemühungen um kulturelle beziehungsweise literarische Vermittlung standen
Ausschlussmechanismen gegenüber, die – ob aus qualitativen, strategischen
97Wiener RundschauH. 1, 3. Jg. (1898/1899). Hervorh. imOrig. durch Sperrschrift. Pfaidler
wardieBezeichnungfürHemdenmacherundwirdhier ironischverwendet,umeinenKontrast
zwischen den Berufsgruppen (Handwerker und Wissenschaftler) herzustellen. Gemeint ist
damitder ‚Laie‘.
98 Vgl.Lorenz:WienerModerne,S. 106–107.
99 Vgl.Sprengel/Streim:BerlinerundWienerModerne,S. 103.
100 Vgl.Lorenz:WienerModerne,S. 107. 2 PublizistischeNetzwerke 117
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Titel
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Autor
- Cornelius Mitterer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorien
- Weiteres Belletristik