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Der Zwist hielt Schaukal nicht davon ab, im Januar 1905 einen für seine
eigenepoetologischeAuffassungerhellendenAufsatzüberDehmel inderÖsterrei-
chischenRundschauzuveröffentlichen,derdieGrundlageseiner1908publizierten
StudieRichardDehmelsLyrikdarstellt.125DocherstnachdemKrieg tratendiebei-
denDichtererneut inKontakt.NachdenhistorischenVeränderungenderUmwelt,
dieThomasSchweizeralserstenBausteinderNetzwerkanalysebezeichnet,126erin-
nerte sich Dehmel seiner vermeintlich ideologischen Verbündeten (Kognitionen)
und bat Dichter wie Hofmannsthal, Schnitzler, FranzWerfel (1890–1945), Alten-
berg, Rilke und eben Schaukal, einen am 12. Dezember 1918 verfassten öffentli-
chen Aufruf mit der Forderung zu unterzeichnen, dass Gebiete wie Elsass-
Lothringen deutsch bleiben sollten (Handlung). Gemeinsammit Schaukal unter-
schrieben auch Arno Holz, Emil Ludwig (1881–1948), Thomas Mann und Jakob
Wassermann den Aufruf „Deutsche Dichter gegen einen Gewaltfrieden“, den
dieMünchnerZeitungam27.Dezember 1918abdruckte.VordemHintergrundder
politischenUmbrüche söhnten sich Schaukal und Dehmel aus und führten ihre
früheren Kontroversen auf „jugendliches Ungestüm“ und „Eigensinn“ zurück.127
Als letzteHandlung, die einemgemeinsamen kognitivenMovens entsprang, ver-
mittelteSchaukalDehmel imFrühjahr 1919alsBeiträgerandieZeitschriftDasGe-
wissen.Am8.Februar 1920verstarbderdeutscheSchriftsteller,der zuBeginndes
20. Jahrhunderts dem literarischen München-Netzwerk angehörte, aber in jener
frühenPhasemitSchaukalnochnicht interagierenwollte.
Eineweiterepublizistisch-literarische Institution,die ebenfalls inMünchen
angesiedelt und für Schaukals zunehmende Etablierung im Feld der Literatur
nicht unbedeutendwar, ist die 1901 vonRichardScheid (1879–1962) herausge-
gebene Zeitschrift Avalun. Schaukal veröffentlichte 17 Gedichte in den insge-
samt nur neun Hefte umfassenden „Blättern für die neue deutsche lyrische
Wortkunst“, so der programmatische Untertitel.128 In einer inDas litterarische
EchoveröffentlichtenRezensionder Zeitschrift bezeichnete er vor allemRainer
MariaRilke, der seinerseits fünf Beiträge inAvalun veröffentlichte,129 als einen
der„befähigtesten Jüngeren“, derunterdenDichterneineVorreiterrolle fürdie
anderen einnehme.130 Weitere Akteure wie Emanuel von Bodman, mit dem
125 Vgl. Schaukal: RichardDehmels Lyrik.Versuch einerDarstellungderGrundzüge. Leipzig
1908.
126 Vgl.Schweizer:Muster sozialerOrdnung,S. 147–149.
127 BriefDehmelsanSchaukal, 12. Januar1919,S-NL,WB.
128 Vgl. ThomasDietzel undHans-OttoHügel:Deutsche literarischeZeitschriften 1880–1945.
EinRepertorium.Bd. 1.Münchenu.a. 1988,S. 105.
129 Vgl.GeorgeC.Schoolfield:YoungRilkeandHisTime.Rochester (NY)2009,S. 198.
130 Schaukal:Avalun. In:Das litterarischeEcho,3. Jg. (1900/1901),S. 1578–1579,hierS. 1578.
124 III Schaukal inNetzwerkenundFeldernderModerne
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Titel
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Autor
- Cornelius Mitterer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorien
- Weiteres Belletristik