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Einleitende Überlegungen 17
mächtige Kunstinteressierte einige der neuesten russischen Beiträge aus dem
Umfeld der kubo-futuristischen Abstraktion zugänglich wurden.
Karpfen widmete sich in seinem schmalen, aber kompakten Band insbeson-
dere dem kubistischen Bildhauer, „Bahnbrecher“ und frühen Emigranten Ale-
xander Archipenko, ferner Marc Chagall, „der größte Künstler der russischen
und einer der hervorragendsten der Gegenwartskunst überhaupt“, der Bewe-
gung des Suprematismus sowie dem Expressionisten Alexej Javlenskij, auch
Mitglied der Redaktion des Blauen Reiters. Kunst wurde dabei grundsätzlich in
die Zeit positioniert: „Die Kunst der Zeit ist Emporstreben, Sturm, Aufschrei,
Empörung, Umsturz, Revolution“.17 Im Fall Malevič, die „logische Fortentwick-
lung Kandinskijs ins Abstrakte“, zeigte sich Karpfen jedoch ratlos: „Hier stockt
der Kritiker!“18 Die Schwierigkeit, Kunst und Revolution auf stringente Weise
zusammenzubringen, hatte zur Folge, dass Karpfen seine Quelle am Beispiel von
Aristarch W. Lentulow, eines in Vergessenheit geratenen Vertreters des Kubo-
Futurismus, offenlegte. Es handelt sich um Konstantin Umanskijs Neue Kunst
in Rußland, die 1920 bei Kiepenheuer erschienen war – und Karpfen zitierte
ausgiebig daraus, auch um die Gruppe um Vladimir Tatlin besonders herauszu-
heben. Tatlin und durch ihn die sowjetische Maschinenkunst wurde breiteren
Kreisen allerdings erst einige Jahre später, nämlich 1924 im Zuge der Internatio-
nalen Kunstausstellung der Gesellschaft zu Förderung moderner Kunst in den
Räumen der Sezession beziehungsweise 1926 durch Fülöp-Millers breite Dar-
stellung Geist und Gesicht des Bolschewismus, zugänglich gemacht. Die Wiener
Zeitung widmete der erstgenannten Kunstausstellung ein fünfseitiges Feuilleton
mit einer Standortbestimmung des Modernen insgesamt. In dieser mache sich
„der Einfluß der Sowjetunion stark fühlbar“, insofern als er mit ideologischen
Prämissen des Bolschewismus wie der Tendenz nach Substitution des Indivi-
duellen durch die „Typenform“ und Konzentration auf die Masse konvergiere.19
Kandinski, El Lissitzki, Archipenko und Tatlin bilden dabei zentrale Referenzen
und firmieren somit für Konzepte wie gegenstandslose Malerei, Konstruktivis-
mus und Maschinenkunst.
17 Vgl. Fritz Karpfen:
Gegenwartskunst. Russland. Wien:
Literaria 1921, S.
28f. bzw. S.
12.
Ausgangspunkt dieser Publikation war seine Besprechung des Umanski-Bandes: Die
Kunst in Sowjetrußland. In: Der Abend (9.10.1920), S.
3.
18 Ebd., S. 35.
19 Vgl. Hans Ankwicz-Kleehoven:
Kunstausstellungen. In:
Wiener Zeitung (18.10.1924),
S. 1–5.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur