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Julia
Köstenberger48
und unzureichendem Verständnis für die Lage in der UdSSR hin zu einem
überzeugten Mitglied des Kollektivs.74 Als gelungen bewertete die VOKS das
Buch Rußland 1932 von Julius Haydu,75 den die VOKS auch bei seiner Reise im
November 1931 betreut hatte. Die romanhafte Darstellung brachte Daten zum
„Sozialistischen Aufbau“ und polemisierte gegen „antisowjetische“ Ansichten.76
Für die Frau in Sowjetrußland interessierte sich die Kunsthistorikerin Fannina
Halle, die sich mit einem Buch dieses Titels erfolgreich in die Welt der Populär-
wissenschaft begab.77
5 Zusammenbruch (1933–1938)
Zwischen 1933 und 1938 kamen die österreichisch-sowjetischen Kulturkontakte
fast vollständig zum Erliegen. Anfang 1933 zerfiel die ÖG: Vorsitzender Vetter
trat zurück aus Protest gegen Versuche des VOKS-Bevollmächtigten, verstärkt
Einfluss auf den Verein zu nehmen. Eine „Wiederbelebung“ verhinderten die
verschärften politischen Umstände unter dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime.78
Zusätzlich beeinträchtigte ab Mitte der 1930er Jahre der staatliche Terror in der
UdSSR die Arbeit des VOKS-Apparates erheblich.79
Und doch kam es in dieser Zeit zu einem letzten unerwarteten High-
light: Obwohl der „Christliche Ständestaat“ prinzipiell den Kontakt mit dem
kommunistischen Regime vermied, sandte das Außenamt routinemäßig Einla-
dungen zu internationalen Veranstaltungen nach Moskau. In der Vergangenheit
hatte die UdSSR ohnehin aus finanziellen Gründen oder wegen geringfügiger
Bedeutung der jeweiligen Veranstaltung auf eine Teilnahme verzichtet.80 Doch
1936 nahm die Sowjetunion die Einladung zum Internationalen Wettbewerb für
Gesang und Klavier der Wiener Musikakademie (Juni 1936) an und nominierte
dafür die jungen Pianisten Ėmil’ Gilel’s und Jakov Flier sowie, als Jury-Mitglied,
74 Lili Körber: Eine Frau erlebt den roten Alltag. Berlin: Rowohlt 1931. Vgl. dazu den
Beitrag von Walter Fähnders in diesem Band.
75 Julius Haydu: Rußland 1932. Wien: Phaidon-Verlag 1932.
76 Vgl. GARF R-5283/6/1055, 68: Arbeit der VOKS mit Ausländern, 17.5.1932; GARF
R-5283/6/1057, 9: Schumann an Haydu, 20.7.1932.
77 Fannina W. Halle: Die Frau in Sowjetrußland. Berlin–Wien–Leipzig: Zsolnay 1932;
vgl. GARF R-5283/6/1081, 35–37: Gespräch mit Halle, 25.9.1934.
78 Vgl. Köstenberger, Kulturkontakte, S.
246–248.
– Die ÖG bestand auf dem Papier bis
1937 weiter (vgl. WStLA 1.3.2.119.A32 – Gelöschte Vereine 1920–1974, 7014/25).
79 Vgl. A.V. Golubev/V.A. Neževin:
VOKS v 1930–1940 gody. In:
Minuvšee. Istoričeskij
al’manach 14 (1993), S. 315f.
80 Vgl. Köstenberger, Kulturkontakte, S. 231f.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur