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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 53 -
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Die neuen „Russophilen“ und ihr Russlanddiskurs 53 Dieses emphatische Bekenntnis Doderers zu Russland, das heißt zu seinen russischen Erfahrungen, hat bekanntlich nachhaltige Spuren in seinem späteren Werk hinterlassen. Über das Land schreibt und urteilt er, zumindest bis Ende der 1930er Jahre, mit auffallender Sympathie, im Besonderen in seinem Aufsatz Die neuen Russophilen: [W] er zurückkommt und man hört ihn reden, der flucht das Blaue vom Himmel herunter über die „Regierung“ drüben, über die Falottenwirtschaft in allen Ämtern und erzählt immer die unglaublichsten Geschichten  – und nach einer Viertelstunde schwärmt er schon von den Russen im allgemeinen, nennt sie ein edles, herrliches Volk und es stellt sich heraus, daß dieses Land, dieses Volk in seinem Herzen feste, unverlier- bare Stätten der Liebe haben:  die Augen leuchten ihm ja, man könnte fast glauben, der Mann sehnt sich zurück. Und es ist mitunter fast so bei diesen ehemaligen „Woyennoplenni“. […] Sie haben die Weite eines Riesenlandes kennen gelernt und die Weite des russischen Herzens, das in Wahrheit den Charakter des Landes widerspiegelt […]. Sie haben den heiligen „Nit- schewo“ kennen gelernt, der die Mischung von Herzensgröße, unverbesserlicher Passi- vität, Verträumtheit und Tiefe verkörpert.9 In seinem ersten gedruckten Prosatext Das russische Land wird über die Wande- rung einer Gruppe von acht deutschen und österreichischen Kriegsgefangenen berichtet, die durch die unermesslichen Ebenen Richtung Europa marschieren. Doderer charakterisiert Russland und seine Bewohner sowie seine Landschaft dabei durchaus positiv: Hier soll von einem Lande ein weniges erzählt werden; von seiner Eigenart  – dem Angesicht seiner Landschaft und von seinen Bewohnern, von dem großen russischen Bauernvolk, dessen Herz weit und offen ist wie die Steppe, von der Gastfreundlichkeit und alles in allem vom Wandern durch die über alle Begriffe unermesslich große Ebene von Westsibirien.10 Doderers Ausführungen knüpfen deutlich an das schon zur Jahrhundertwende dominante Muster der Russlanddarstellung an, wie es zum Beispiel bei Rainer M.  Rilke etabliert erscheint, nämlich an die Glorifizierung der „russischen Seele“ und des russischen Bauern.11 Mit Jürgen Lehmann fügt sich dieses Muster in 9 Heimito von Doderer:  Die neuen Russophilen. In:  Wiener Allgemeine Zeitung (25.6.1921), S.  5. 10 Zit. in:  Schmidt-Dengler, Doderers schriftliche Anfänge, S.  103. 11 Vgl. dazu:  Konstantin Asadowski:  Rilke und Rußland:  Briefe, Tagebücher, Erinnerun- gen, Gedichte. Frankfurt a.M.:  Insel 1986; Jürgen Lehmann:  Rußland. In:  Manfred Engel (Hg.):  Rilke-Handbuch. Leben  – Werk  – Wirkung. Stuttgart–Weimar: Metzler 2004. S.  98–112; Alexander W. Belobratow:  „Gott (wohne) in der Achselhöhle …“.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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