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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 92 -
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Jürgen Egyptien92 So sensibel und aufgeschlossen Fischer für die Modernität von Dos Passos’ Erzählen ist, so hängt doch auch für ihn ihre Legitimität vom authentischen Aus- druck ab. Modernität ist für Fischer keine isolierte ästhetische Kategorie, sondern immer auch ein Indikator für die Gestaltung zeitgenössischer ‚moderner‘ Prob- leme. Einleitend heißt es im selben Artikel:  „Nie zuvor war alles Formale so neben- sächlich, nie zuvor alles Stoffliche so wesentlich wie heute.“30 Fischers Denken ist allerdings differenzierter, als seine Neigung zu plakativen Antithesen es manchmal vermuten lässt. Man wird das Verdikt gegen das Formale wohl in erster Linie als eine Ablehnung des Ästhetizismus zu verstehen haben, nicht aber als ein Desinte- resse an ästhetischen Verfahrensweisen überhaupt. Die Betonung des Stofflichen sollte umgekehrt nicht mit einer Verabsolutierung des  – womöglich ideologischen  – Inhalts verwechselt werden, sondern mag eher auf eine für notwendig gehaltene Aktualität der Problemstellung abzielen. 4 Orientierung an Tret’âkov Man kann beobachten, dass das Kriterium des künstlerischen Gebrauchswerts in der Spätphase der Ersten Republik bei Fischer einen Politisierungsschub erfahren hat. Dass Werke wie etwa Manhattan Transfer von Dos Passos lediglich gesellschaft- liche Bewusstseinslagen abbilden, befriedigt Fischer zusehends weniger. Der Maß- stab, den er an die Literatur anlegt, verschiebt sich hin in Richtung auf deren Beitrag zum Klassenkampf, wofür seine Auseinandersetzung mit aktueller russischer Literatur eine entscheidende Rolle spielt. In der Besprechung von Il’ja Ėrenburgs Roman Die heiligsten Güter etwa interessiert sich Fischer besonders für die Figuren- konstellation:  Er zeichnet ausführlich die Porträts zweier konkurrierender kapitalis- tischer global player, deren Zynismus am „Zukunftsfanatismus“31 eines russischen Kommunisten zuschanden wird. Fischer begeistert sich am Sieg der großen Idee. Die tendenzielle Vernachlässigung von Fragen der künstlerischen Gestal- tung zeigt ein Vergleich von Fischers Rezension von Ernst Ottwalts Justizroman Denn sie wissen, was sie tun mit Georg Lukács’ ins Prinzipielle ausgreifender Kritik in der Linkskurve, dem theoretischen Organ der deutschen Sektion des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS). Für Fischer erfüllt Ottwalt die heute notwendige Aufgabe, „das Dutzendgesicht der mordenden Mittelmäßigkeit“32 zu zeigen. Während Fischer Ottwalts Schreibverfahren, den 30 Ebd. 31 Ders.:  Totentanz des Kapitalismus. Ilja Ehrenburgs neues Buch. In:  Arbeiter-Zeitung (26.7.1931), S.  15. 32 Ders.:  Denn sie wissen, was sie tun. In:  Arbeiter-Zeitung (1.1.1932), S.  15f.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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