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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 146 -
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Ievgeniia Voloshchuk146 Erbschaft von ihm zu erwarten und als hätten wir dieses Erbe nicht schon längst auf- gezehrt[.] [RW  639] Eine ähnliche Rhetorik wird auch in den atheistischen Broschüren verwendet, die unter dem Deckmantel der Aufklärung eher primitivste Propaganda betrei- ben: In einer Broschüre „Antireligiöse Propaganda im Dorf“ von E.  Feodorow, die für Dorf- Agitatoren bestimmt ist, stehen folgende Definitionen:  „Das Peter- und Paulsfest gehört zu jenen Feiertagen, die den Zweck haben, die Ausbeutung der arbeitenden Massen durch die Kapitalisten zu rechtfertigen und jeden Versuch, einen Aufstand zu erheben, durch eine Berufung auf die göttliche Autorität zu unterdrücken.“ Oder:  „Alle unsere Seelen- erscheinungen  – Ärger, Freude, Angst, die Fähigkeit, zu denken und zu räsonieren  – sind Folgen der Arbeit des Zentralhirns und der Nerven“. Der zwanzigste Juni alten Stils, der Tag des Elias, der nach dem Glauben der Bauern über Donner und Blitz zu verfügen hat, wird im neuen Rußland auch offiziell gefeiert, und zwar als „Elektrifikationstag“. Und manchmal protestiert eine Broschüre gegen das Läuten der Kirchenglocken, weil es denerviere und weil in  – Zürich das Glockenläuten verboten ist. Ich weiß nicht, ob es stimmt  – aber:  Zürich! Zürich! Welch ein Muster für Revolutionäre! … [RW 639; Hervorhebung im Original] Die Konsequenzen der Täuschungen und Vortäuschungen, die die sowjetische Propaganda dem Bewusstsein der Massen aufoktroyiert hat, beobachtet Roth an verschiedenen Lebenspraktiken. Er attackiert etwa die sowjetische Presse, die durch den harten Zensurdruck und den vorgetäuschten direkten Kontakt mit dem Lesepublikum desinfomierend wirke; ferner die politische Landschaft, in der sich trotz proklamierter demokratischer Prinzipien die Zwangsherrschaft der kommunistischen Partei etabliere; die Mann-Frau-Beziehungen, die durch die Einbuße der „spießigen“ Romantik und „dekadenten“ Erotik zur pragmatischen Begattung geworden seien; die Frauenemanzipation, die die sowjetische Frau auf einige wenige soziale Funktionen reduziere,25 oder das Erziehungssystem, das im 25 „Sie [die russische Frau] lebt in einer Atmosphäre der politischen Sachlichkeit, der öffentlichen Tätigkeit, der allgemeinen Notwendigkeit, der sozialen Ethik, der kol- lektiven Pflicht“, so Roth in seiner Reportage „Die russische Frau von heute …“:  „Sie ist kein erotischer Mensch mehr, sie ist ein sozialer Mensch  – wie alle Menschen in Rußland. Die repräsentativen Typen der heutigen Frauen sind:  die Politikerin, die Büroarbeiterin, die soziale Funktionärin, die Fabrikarbeiterin, die geistig produktive Arbeiterin, also Schriftstellerin und Künstlerin […][.] Die ‚Frau bei der Arbeit‘ ist ein Losungswort, eine Propaganda, ein moralisches Gebot und eine materielle Notwen- digkeit […] Ich wünsche ihr, sie verlöre über der großen Ehre, ein ‚sozialer Faktor‘ zu sein, nicht das Vergnügen, eine Frau zu sein“ [RW 648–650].
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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