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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 157 -
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Deutungsmuster in Fülöp-Millers Reportage von 1926 157 2.1 Einleitung Mit dem bereits eingangs zitierten Satz, demzufolge Fülöp-Miller den Bolsche- wismus nicht nur als „politisches Problem“ betrachtet wissen will, beginnt die kurze, zweieinhalbseitige Einleitung. Inhaltlich wie formal, etwa durch den nachstehenden Namen des Verfassers sowie die Angabe „Wien, im April 1926“, gleicht sie eher einem Vorwort. Fülöp-Miller betont hier die Brisanz seines Betrachtungsgegenstands:  Die gegenwärtigen Geschehnisse in Russland seien „zu schicksalhaft und bedeutsam“, als dass deren Bewertung „einer Kaste von Politikern“ überlassen werden dürfte, die ihr Urteil von taktischen Erwägungen abhängig machten. Fülöp-Miller vermittelt dem Leser hier, ihm mit seiner Publi- kation ein von Ideologien und Interessen befreites und zu den vorherrschenden Elitendiskursen alternatives  – und somit implizit wahrheitsgetreueres  – Deu- tungsangebot zu machen. „Das Problem des Bolschewismus wächst über den engen Horizont politischer Sympathien oder Antipathien hinaus; seine Beja- hung oder Verneinung ist gleichzeitig jene der europäischen Kultur überhaupt“ [GG I]. Über sein Verhältnis zum Bolschewismus bestimmt Europa also, so der Umkehrschluss zu dieser Aussage, die kulturelle Grundlage seiner zukünfti- gen Existenz. Die beiden ‚Welten‘ Russland und Europa werden damit in enger Wechselwirkung gezeichnet. Nur die „sinnliche Nachgestaltung von Erlebtem“, wie Fülöp-Miller im Anschluss daran seine Betrachtungsmethode erläutert, könne zu einem „anschauliche[n] und wahre[n]“ [GG II] Bild der sowjetischen Verhältnisse ver- helfen. Objektivität ist laut Fülöp-Miller eine Unabdingbarkeit bei der damit in Aussicht gestellten Wahrheitsfindung: Unter Objektivität wird hier die Wahrhaftigkeit schon in der Art des Schauens verstan- den, die Unbefangenheit des persönlichen Eindrucks […]:  was wirklich groß ist, wird auch dort als groß anerkannt […], das Hohle und Unzulänglich-Anmaßende aber spöt- tisch belächelt, auch wenn es sich noch so pathetisch gebärdet[.] [GG II] Paradigmatisch für das Vorwort ist der wiederholt formulierte Anspruch auf Authentizität und Objektivität:  Nur jene Äußerungen von „Anhängern und Feinden des Bolschewismus“, die „der Kontrolle durch den Augenschein [Fülöp- Millers] standgehalten“ haben, seien berücksichtigt worden [GG II]. Dass Fülöp-Miller seine Leserschaft einleitend der Wahrhaftigkeit seiner Aussagen versichert, korrespondiert mit den Beglaubigungsstrategien in ande- ren zeitgenössischen Russlandreiseberichten, die Bernhard Furler analysiert hat:  Indem sie als faktografisch inszenierte Texte ein der ideologisch aufgela- denen Presseberichterstattung entgegengesetztes Deutungsangebot bereitstellen, befriedigen sie das „allgemeine […] Bedürfnis nach […] gesicherter Information“
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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