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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 169 -
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Deutungsmuster in Fülöp-Millers Reportage von 1926 169 Von der Überzeugung, dass die Bilder jedoch nicht nur Unterhaltungs-, son- dern vor allem auch Informationswert haben, zeugt zudem die Einschätzung Bert Brechts, dass die ausgezeichneten Illustrationen den Leser davor bewahren, „über den Bolschewismus den üblichen Unsinn zu reden“.61 Man könne Geist und Gesicht gar überhaupt nur kaufen, wenn man sich vornehme, den Text mit einer Schere zu entfernen, so Brecht.62 4 Fazit Anhand der exemplarischen Analysen zu Geist und Gesicht wurden die Stra- tegien Fülöp-Millers nachvollzogen, mit denen er die gesellschaftliche und kulturelle Lage in der Sowjetunion für ein zunächst deutschsprachiges Lesepu- blikum aufbereitete. Formal nutzt er dabei einen Schreibstil, der einerseits den Anspruch von Wissenschaftlichkeit suggeriert und andererseits stark metapho- risch aufgeladen ist. Fülöp-Miller geht an einigen Stellen rhetorisch stark verall- gemeinernd und ironisierend vor. Durch die Bezugnahme und Aktualisierung von Texten wie dem Le Bons wird die Bedeutung zeitgenössischer sowjetischer Kunsterscheinungen dem Leser gegenüber geformt und tendenziell abgewertet. Dies gilt auch für die Maschinenkunst Tatlins, die durch die Bezugnahme auf westliche Baukunst als defizitär dargestellt wird. Damit schreibt Fülöp-Miller seit der Aufklärung bestehende Deutungsschemata, etwa des Ostens als „Trug- bild“ des Westens, fort. Das Potential in Fülöp-Millers Werk im Gegensatz zu anderen Russland- berichten der Zeit liegt in den von ihm selektierten Phänomenen begründet, die in großen Teilen sehr aktuell und somit allein durch ihren Informationsge- halt innovativ gewesen sind, wofür das Themengebiet Theaterkunst beispielhaft steht. Daran anschließend ist zweifellos die mediale Aufbereitung geknüpft. Die weitgehend analoge Anordnung von Text- und Bildmaterial schafft einen Bilder- buch-Effekt, der den Einstieg in die Lektüre an beliebiger Stelle ermöglicht. Mit dieser zweidimensionalen Wissensvermittlung bedient das Werk, trotz seiner im Verhältnis zum großen Boom der Russlandliteratur späten Erscheinung, sicher- lich auch Erwartungshaltungen, die die neuen Medien in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre, etwa durch illustrierte Zeitschriften, geweckt haben. Die Aus- wahl, Platzierung und Beschriftung der enthaltenen Abbildungen ist auch im zeitgenössischen Kontext jener medialen Entwicklungen zu betrachten. 61 Bertolt Brecht:  Die besten Bücher des Jahres 1926. In:  ders.:  Gesammelte Werke. Bd.  21, Frankfurt a.M.:  Suhrkamp 1992, S.  176. 62 Vgl. ebd.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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