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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 170 -
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Katja Plachov170 Diese Konzeption von Geist und Gesicht  – mannigfaltige Illustrationen sowie innovative Themenauswahl zur russischen Kunst und Kultur  – wurde dann auch von einer Vielzahl von Rezipienten mit großem Interesse aufgenommen, wobei sich nicht zuletzt aufgrund des hohen Kaufpreises des Amalthea-Produkts das Lesepublikum wohl eher aus wohlhabenderen Schichten rekrutierte. Dabei zeigten sich die von Fülöp-Miller populärwissenschaftlich aufbereiteten kon- servativen Deutungsschemata nicht als völlig anschlussfähig, wie anhand der zeitgenössischen Rezensionen deutlich wurde. Trotz der thematischen Band- breite und der medialen Originalität zeigte sich die Mehrheit der Leser skeptisch gegenüber den von Fülöp-Miller geleisteten Einordnungen. Diese scheinen für die Bedeutung von Geist und Gesicht gegenüber den ori- ginellen Themensetzungen durch Fülöp-Miller jedoch zweitrangig. Beispielhaft für die Langzeitwirkung der Rezeption der Reisereportage steht der vom Musik- wissenschaftler Wolfgang Mende erbrachte Nachweis, dass etwa die Darstellung der genannten Pfeifenorchester sich in wissenschaftlichen Publikationen bis zum Jahre 2000 vor allem aus Geist und Gesicht gespeist habe. Dies betreffe insbeson- dere den Beginn der sogenannten Geräuschkunst in der jungen Sowjetunion: Eine Reihe von Darstellungen der sowjetischen Musik- und Kunstgeschichte zeichnet ein Bild, wonach sich in Russland bald nach der Oktoberrevolution eine „Lärmorches- terbewegung“ gebildet habe, die maßgeblich vom Proletkul’t getragen worden sei. Ein quellenkritischer Vergleich der hierfür angeführten Belege zeigt, dass sämtliche Infor- mationen [dieser wissenschaftlichen Darstellungen] auf eine einzige Quelle zurückge- hen, nämlich auf René Fülöp-Millers Bildreportage Geist und Gesicht des Bolschewismus aus dem Jahr 1926. […] Die Zuordnung dieses Berichts zur Musikpraxis des Proletkul’t, von der alle neueren Darstellungen wie selbstverständlich ausgehen, ist möglicherweise auf die angegebene Datierung zurückzuführen. […] [Seine] zeitliche Einordnung ist [jedoch] höchstwahr- scheinlich falsch. 63 Sicherlich kann Fülöp-Miller als Vermittler ein gewisses Gespür für ‚Wissensbe- dürfnisse‘, die kontingenterweise die Zeit überdauert haben, nicht abgesprochen werden, ist er doch Trends in der Rezeption der sowjetrussischen Avantgarde nicht nur gefolgt, sondern hat sie  – mit ‚Langzeitwirkung‘  – auch gesetzt.64 63 Wolfgang Mende:  Musik und Kunst in der sowjetischen Revolutionskultur. Köln:  Böh- lau 2009, S.  287f. 64 Vorliegender Beitrag entstand im Rahmen des laufenden Dissertationsprojekts Zur Bedeutung René Fülöp-Millers in den europäisch-russischen Kulturbeziehungen der Zwischenkriegszeit (Arbeitstitel) an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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