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Kurt
Ifkovits184
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die österreichischen Behör-
den letztlich kein Interesse an kulturellen Kontakten zwischen der Sowjetunion
und Österreich hatten, zumal sie die Infiltration kommunistischer Propaganda
und – damit verbunden – auch um die internationale Reputation Österreichs in
Westeuropa fürchteten.27 Diese politischen Überlegungen, verschärft durch die
sich radikalisierenden innenpolitischen Entwicklungen,28 machten letztlich eine
Präsentation der sowjetischen (Theater-)Moderne in Wien (und Österreich)
unmöglich. Tatsächlich blieben der Öffentlichkeit die Gründe der Absage ver-
borgen. Es muss sogar angenommen werden, dass Gregors Ausstellungspläne
überhaupt unbemerkt blieben; die erwähnte (kurze) Notiz in der Wiener Zeitung
sprach von dem Ausstellungsvorhaben nur en passant.29 Abgesehen von einem
Vortrag Gregors anlässlich eines Gastspiels des Moskauer Künstlertheaters am
15. November 1927 im Wiener Redoutensaal – also an jenem Ort, wo die Aus-
stellung stattfinden hätte sollen – war das Buch Das russische Theater das Ein-
zige, was vom ambitionierten Projekt in die Öffentlichkeit trat. Damit geriet das
als Begleitprogramm Vorgesehene zum Hauptakt.
Der Vertrag für das Buch wurde nach der Absage der Ausstellung am
23. Mai 1927 zwischen Joseph Gregor und René Fülöp-Miller auf der einen,
dem Verleger Heinrich Studer auf der anderen Seite unterschrieben.30 Mit René
Fülöp-Miller hatte man einen
– nicht unumstrittenen
– Kenner der Sowjetunion
gewonnen, der die Sowjetunion 1922 und 1924 bereist und bereits einschlägige
Publikationen vorzuweisen hatte, etwa die gemeinsam mit Friedrich Eckstein
1925 ins Deutsche übersetzten Lebenserinnerungen der Gattin Fёdor Dosto-
evskijs. Besonders empfohlen hatte sich Fülöp-Miller jedoch mit seinem 1926
erschienenen Werk Geist und Gesicht des Bolschewismus. Darstellung und Kritik
des kulturellen Lebens in Sowjet-Rußland, worin auch das sowjetische Theater
vorzuwerfen, in Zukunft sei bei jedem ausländischen Kontakt das Ministerium zu
informieren.
27 Auch von sowjetischer Seite wurde eine derartige Ausstellung allerdings mehr als
skeptisch angesehen; vgl. den Beitrag von Julia Köstenberger.
28 Bezeichnenderweise wurde Otto Pohl im selben Jahr als Gesandter abberufen; vgl.
Moritz, Gegenwelten, passim.
29 Neben der erwähnten Notiz in der Wiener Zeitung Ende 1927 findet sich kein Hinweis
auf die geplante Ausstellung, auch nicht im Vorwort des Buches Russisches Theater.
30 Vgl. Übereinkommen Joseph Gregor/René Fülöp-Miller
– Amalthea-Verlag, Dr.
Hein-
rich Studer, 23.
Mai
1927, Theatermuseum Wien, HS_AM 77.011 Gr.:
Abgabetermin
ist der 30. August. Bemerkenswert ist ein, freilich handschriftlich korrigierter, abwei-
chender Titel Geschichte des russischen Theaters und Ballets; der ursprüngliche Titel-
vorschlag klammert die Oktoberrevolution also bewußt aus.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur