Seite - 200 - in Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Bild der Seite - 200 -
Text der Seite - 200 -
Barbara
Lesák200
Bereits 1912 sowie im Jahr darauf, 1913, gastierten die Ballets Russes an der
Wiener kaiserlich-königlichen Hofoper; im Österreich der Ersten Republik traten
sie erst wieder im Dezember 1927 an der nun schlicht in „Operntheater“ umge-
tauften traditionsreichen Wiener Institution auf.5 Hier wurde unter anderem La
chatte von Henri Sauguet in der skulpturalen, abstrakten Bühnenraumgestaltung
von Gabo und Pevsner aufgeführt, ebenso wie das von Picasso ausgestattete Bal-
lett Le Tricorne, wodurch das Wiener Publikum die Chance erhielt, Vorhänge,
Dekorationen und Kostüme des spanischen Maler-Genies zu erleben. Zu dieser
Zeit war bereits der große Ballettstar und Choreograph Vaslav Nijinski aufgrund
seiner Erkrankung nicht mehr dabei. Neben dem Gastspiel der Ballets Russes
1927 gab es in den 1920er Jahren zahlreiche Gastspiel-Auftritte6 im Exil lebender,
russischer Solotänzer und Ballerinen sowie russischer Ballett-Ensembles in Wien.
Gegen Ende der 1920er Jahre, als die wirtschaftliche und auch die politische
Situation immer schwieriger wurde, löste sich die in Berlin ansässige russische
Kolonie mehr oder weniger auf und ein großer Teil des Trosses zog weiter: ent-
weder wieder zurück in das nun sowjetisch regierte Russland oder nach Paris
und Prag beziehungsweise in die USA. Von Paris aus musste der Großteil der
russischen Emigranten um 1940 schließlich wieder flüchten: nach den USA,
Südamerika oder Mexiko, als Deutschland über Frankreich herfiel, ähnlich, wie
dies zuvor auch in Prag 1938 nach dem deutschen Einmarsch der Fall war.
2 Das russische Emigrantentheater auf seinen Gastspielreisen
in Wien
In Wien war man in den 1920er Jahren meist auf der Durchreise; man gastierte,
blieb aber in der Regel nicht, mit Ausnahme eines Versuchs, als im Herbst 1923
die Moskauer Kunst-Spiele7 in Wien in der Riemergasse 11 etabliert wurden. Sie
hielten nur eine Spielsaison durch, mussten dann aber aus finanziellen Gründen
5 Die „Ballets Russes“ gastierten vom 9.12. bis 11.12.1927 am Operntheater mit folgen-
den Ballett-Stücken:
Cimarosiana, La chatte, Le Tricorne, La Boutique fantasque, Polo-
wetzer Tänze sowie Les Biches (s. Programmsammlung des Theatermuseums Wien).
6 Für eine ausführliche Erfassung und Beschreibung aller russischen Ballettensembles
sowie Solotänzerinnen und Solotänzer auf ihren Gastspielreisen in Wien vgl. Molnári,
Das russische Theater, S. 33–35.
7 In der Programmsammlung des Theatermuseums, Wien, dokumentieren drei Pro-
grammzettel die Aktivität der „Moskauer Kunst-Spiele“, die sich auch „Der Blaue
Vogel in Wien“ nannten. Trotz dieser Referenz und der Beteiligung des Malers G.
von
Pojedajeff, des ehemaligen Bühnenbildners des „Blauen Vogel“ in Berlin, der sich von
1923 bis 1925 in Wien aufhielt, scheiterte das russisch-wienerische Unternehmen.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur