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Jürgen Doll
Zur Rezeption des sowjetrussischen Theaters in
der österreichischen Sozialdemokratie
Abstract: This paper seeks to elucidate the influence of the Soviet post-revolutionary the-
atrical experiments, more particularly of the non-professional proletarian theatre groups,
on the Viennese theoretical debate, based mainly on Kerzencev’s aesthetics of theatre, on
early performances by socialist school students, on the Viennese political cabaret incor-
porating techniques developed by the Moscow Blue Blouse troup or stage directors like
Mejerhol’d, culminating in performing Tret’âkovs Brülle China. The article is completed
by a review of Soviet theatre plays staged in Vienna in the early 1930s.
1 Keržencev und die Theorie des politischen Theaters in
Österreich
Es sei vorausgeschickt: Wien war damals nicht Berlin. Es gab weder die Anfang
der 1920er Jahre in Berlin geführte Proletkultdebatte,1 noch die in der Links-
kurve ausgetragene Auseinandersetzung mit der linken russischen und deut-
schen Avantgarde gegen Ende der Weimarer Republik, die Walter Benjamin als
‚Russische Debatte auf Deutsch‘ zusammenfasste,2 wenn auch Ernst Fischer mit
seinen Aufsätzen zu Ernst Ottwalt, Il’ja Ėrenburg und Sergej Tret’akov indirekt
auf Seite der Avantgarde daran teilnahm. Auch interessierte das sowjetrussische
Theater die österreichischen Sozialdemokraten naturgemäß viel weniger als die
deutschen Kommunisten. So erschienen etwa in der Neuen Freien Presse dank
deren Mitarbeiter René Fülöp-Miller und deren Moskau-Korrespondenten
Nikolaus Basseches deutlich mehr einschlägige Artikel als in der sozialdemo-
kratischen Arbeiter-Zeitung.3
1 Vgl. Walter Fähnders/Martin Rector (Hgg.): Literatur im Klassenkampf. Zur prole-
tarisch-revolutionären Literaturtheorie 1919–1923. Frankfurt a.M.:
Fischer Taschen-
buch Verlag 1974.
2 Vgl. Walter Benjamin: Russische Debatte auf deutsch [1930]. In: ders.: Gesammelte
Werke. Bd. 4. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1972, S. 591–595.
3 David Josef Bach, der Feuilletonchef und Theaterkritiker der Arbeiter-Zeitung, der
sich bis dahin zum sowjetischen Theater nicht geäußert hatte, zeigte sich 1932 erleich-
tert, dass in den neuen russischen Stücken wieder „die Einzelseele und ihre Bedürf-
nisse eine Rolle spielen, und nicht die Kollektivseele“ (D.B.: Schiller wird wieder
beliebt. „Die Räuber“ im Burgtheater. In: Arbeiter-Zeitung (27.5.1932), S.
5f.).
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur