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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 226 -
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Jürgen Doll226 Massenspielen und den Rote-Spieler-Gruppen auch in Österreich Arbeiter und Arbeitslose die Mehrzahl der Mitwirkenden stellten. Wie bei Keržencev wurde, manchmal direkt an diesen angelehnt, die gemein- schaftliche Führung des Theaters hervorgehoben, wobei Grünbaum betonte, dass alles, was die persönliche Eitelkeit bei Spielern fördern könne, vermieden werden müsse.25 Zwar bildeten sich beim Politischen Kabarett bald Spezialisten heraus, doch hatten auch Texter wie Grünbaum und Karl Sobel oder die beiden Bühnenbildner Arnold Meiselmann und Walter Harnisch führende Schauspie- lerrollen inne. Schließlich agierte das Kabarett auch als Wanderbühne, trat nach der Premiere in der Riemergasse in den Arbeiterbezirken und später auch in der Provinz auf.26 Es mag erstaunlich anmuten, wie eng sich die Wiener Spieler, oft bis in die Wortwahl hinein, an Keržencevs Das schöpferische Theater anlehnten, das ihnen buchstäblich als Theorie-Handbuch des agitatorischen Theaters diente. Offenbar stand ihnen damals, zumindest in ihren Anfängen, auch wenig Anderes zur Ver- fügung, woran sie sich orientieren konnten. 2 Sowjetrussische Erfahrungen und Praxis des Agitationstheaters Die ersten Versuche, außerhalb der traditionellen sozialdemokratischen Fest- kultur Theater zu spielen, waren die 1925 und 1926 in den Sommerkolonien der sozialistischen Mittelschüler erarbeiteten Freiluftaufführungen zum deutschen Bauernkrieg und zur Revolution von 1848, die bis etwa 1930 in Wien und zahlrei- chen Provinzorten aufgeführt wurden.27 „Dieses neue Theater haben keineswegs wir erfunden“, schrieb Hans Zeisel, die treibende Kraft dieser Unternehmungen. „Im bolschewistischen Russland ist es ein sehr beliebtes Unterhaltungsmittel der jugendlichen Arbeiter. Kurz nach dem Umsturz gab es eine Unmenge solcher Aufführungen, die mehr oder weniger differenzierte Allegorien der Revolution darstellten“.28 In einem weiteren Bericht dieser sich Rote Spielleute nennenden 25 Vgl. Viktor [d.i. Viktor Grünbaum]:  Das Wiener „Politische Kabarett“. In:  Sozialisti- sche Veranstaltungsgruppe, Das Politische Kabarett, S.  7–10, hier S.  8. 26 Vgl. ebd., S.  10; Karl Sobel:  Wiener Politisches Kabarett. In:  Die Politische Bühne, Anfang Februar 1932, o.S. 27 1927 folgte noch das Spiel über den 1.  Weltkrieg Krieg dem Kriege! (vgl. N.N.:  „Krieg dem Kriege!“ 25. proletarische Sonntagsfeier der Jugendlichen im Gspöttgraben (Sie- vering). In:  Der Abend (28.6.1927), S.  6). 28 Hans Zeisel:  Wir machen Revolution. In:  Der Schulkampf, Nr.  5/1926, S.  3–5.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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