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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 230 -
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Jürgen Doll230 3 Masseninszenierungen Unmittelbarer kann der sowjetische Einfluss in den sozialdemokratischen Massenspielen nachgewiesen werden. Unter diesen ist bis heute besonders das sogenannte Olympiade-Festspiel, das anlässlich der Arbeiterolympiade 1931 im neuen Wiener Praterstadion aufgeführt wurde, im Gedächtnis geblieben. Drei Jahre früher aber hatten in Linz bereits spektakuläre Masseninszenierungen stattgefunden. Besonders beeindruckend muss die zum 25-jährigen Jubiläum des Linzer Arbeiterturnvereins nach einer Konzeption von Otto Stöber und in der Regie von Eduard Macku aufgeführte revolutionäre Sonnwendfeier Flam- men der Nacht gewesen sein, die am 24.  Juni  1928 auf dem großen Sportplatz vor 10.000 Zuschauern gespielt wurde. Wie das sozialdemokratische Linzer Tag- blatt berichtet hat, ist dieses Schauspiel von den Massenszenen des Proletkults inspiriert worden,41 möglicherweise von dem 1920 in Moskau aufgeführten, von Keržencev beschriebenen Massenspiel Mysterium.42 Die mehreren hundert Mit- wirkenden rekrutierten sich aus den Roten Falken, Turnerverbänden, Schutz- bund und anderen sozialistischen Organisationen. Der Text ist nicht erhalten, doch ist dies verschmerzbar, da das Schauspiel nach Aussage des Regisseurs auf Pantomime und Gestik, visuelle und akustische Effekte hin konzipiert war.43 Auf der Bühne sehen wir unten Fronarbeit leistende Schmiede, Weberinnen, Lastträ- ger, Kulis, Winzer und Bergleute, während oben im Lichtkegel die Kapitalisten und ihre Lakaien, Priester sowie Offiziere, ein Fest feiern und um den Moloch Kapital tanzen. Den Kirchenglocken und der Tanzmusik oben antworten Ham- mer- und Motorengeräusche, Sirenengeheul, Schüsse in der unteren Welt, die in der Nacht versinkt. Die Arbeiter rebellieren, halten den Vorhaltungen des Priesters stand und erobern die obere Welt, viele hundert Fackeln werden ent- zündet, rote Fahnen geschwungen, die Marseillaise angestimmt:  Die Arbeiter haben den Tag errungen. Gemeinsam mit den Zuschauern schwören sie Treue zur roten Fahne und singen das Lied der Arbeit, das den Abend beschließt. Den gemeinsamen Akt des Schwörens entlehnte Stöber dem Pariser Föderationsfest von 1790, wo er, woran auch Keržencev erinnerte, den Höhepunkt des Festes gebildet hatte.44 Zum zehnten Jahrestag der Republikgründung am 12.  November  1928 wurde in der Südbahnhofhalle in Linz eine wiederum von Otto Stöber und Eduard 41 Vgl. Z.:  Flammen der Nacht. In:  Tagblatt (28.6.1928), S.  7. 42 Vgl. Kerschenzew, Das schöpferische Theater, S.  202–205. 43 Vgl. Eduard Macku:  Flammen der Nacht. In:  Tagblatt (23.6.1928), S.  11. 44 Vgl. Kerschenzew, Das schöpferische Theater, S.  131.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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