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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 236 -
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Jürgen Doll236 fünfzig Jahre später:  „Das war damals eine richtige Sensation!“69 Im folgenden Jahr kam Tret’jakov im Rahmen seiner Deutschlandtournee auch nach Wien,70 und ein weiteres Jahr später bekannte sich Ernst Fischer in seiner Rezension von Tret’jakovs Kolchose-Bericht Feld-Herren zu dessen operativem Literatur- verständnis und behauptete, dass „dieses Buch wichtiger [ist] als alle Bücher der schönen Literatur“.71 In ihren Überlegungen als Leiterin der Studiobühne Junge Bühne, die mit- hilfe der Kunststelle gegründet wurde, bezog sich Maria Gutmann auf die russi- schen Studiobühnen als Vorbilder:  „Nicht alles nachahmenswert, aber doch ist bahnbrechendste und revolutionärste Theaterkunst so entstanden.“72 Die Stu- diobühne eröffnete mit Kiršons Rost, einem Stück, das nach Gutmann, die Regie führte, „die Probleme der russischen Jugend aufwirft, die, aus der Ekstase der Revolution herausgerissen, plötzlich nicht die Form zu neuer Lebenseinstellung findet, sich durch diesen furchtbaren Kampf in arge Extreme verliert, die bis zum Verbrechen führen“.73 Dieses die Wendung im russischen Theater anzei- gende, den emotionsorientierten deutschen Zeitstücken verwandte Drama, das zum individuellen Protagonisten zurückkehrte,74 wurde von der sozialdemokra- tischen Presse, die auf den grundlegenden politischen und theaterästhetischen Unterschied zu Tret’jakovs Stück nicht einging, sehr positiv besprochen. Für den Rezensenten der sozialdemokratischen Tageszeitung Das Kleine Blatt war dieses „sehr geschickt gebaute, theaterwirksame und dichterisch bedeutende Stück“ 69 Egon Kodicek, zit. bei:  Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (Hg.):  Erzählte Geschichte. Berichte von Widerstandskämpfern und Verfolgten. Bd.  1. Wien:  Österreichischer Bundesverlag o.J. [1984], S.  52. 70 Vgl. N.N.:  Ein Hymnus auf den Fünfjahresplan. Ein Vortrag Sergej Tretjakows. In:  Arbeiter-Zeitung (8.2.1931), S.  6. 71 Ernst Fischer:  Feld-Herren. Ein neues Buch von Tretjakow. In:  Arbeiter-Zeitung (13.3.1932), S.  16. David Josef Bach antwortet ihm indirekt in seiner sehr positiven Besprechung von Tret’jakovs Bericht Den-Schi-Chua. Ein junger Chinese erzählt sein Leben, dem er attestiert, er sei spannender als sehr viele Unterhaltungsromane (vgl. D.B.:  Politische Belletristik. In:  Arbeiter-Zeitung (24.12.1932), S.  7). 72 Maria Gutmann:  Studiobühne  – Junge Bühne. In:  Kunst und Volk, Nr.  1/1930, S.  17. Außer Kiršons Stück führte die Junge Bühne Brechts Die Mutter und Sean O’Caseys Der Pflug und die Sterne auf. 73 Ebd., S.  18. 74 Kiršon war Mitglied der konservativen RAPP (Russische Assoziation der Proletari- schen Schriftsteller) und zeitweise auch Herausgeber von deren Zeitschschrift Rost. Seine Nähe zu Stalin konnte ihn 1938 nicht vor der Hinrichtung als „Trotzkist“ retten.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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