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Brands Oper Maschinist Hopkins und die Avantgarde 251
das Stück aufgeführt.47 Von einem Arbeiterkonzert in Wien wird berichtet, dass
die anwesenden 2000 Arbeiter mit stehenden Ovationen eine sofortige Wieder-
holung eingefordert haben.48
Mosolov arbeitet mit den gleichen Mitteln wie Brand und stellt den leben-
digen Betrieb der Maschinen in einer sinfonischen Skizze dar. Die Besetzung
in Mosolovs Stück gleicht der Szene in Brands Oper vor allem durch das aus-
geprägte Blechblasinstrumentarium49 und einen spätromantisch besetzten,
großen Orchesterapparat. Das Schlagwerk ist bei Mosolov tendenziell geräusch-
haft besetzt,50 wohingegen Brand auch Tonhöheninstrumente wie Klavier oder
Xylophon in die Sektion integriert. Melodiöse Elemente treten bei Mosolov nur
in zwei analogen Teilen zutage: Ab Takt 27 spielen die vier Hornstimmen ein
euphorisches Thema, das in variierter Form in der Reprise (ab Takt 83) wieder-
erscheint. In beiden Teilen vermerkt der Komponist in der Partitur, dass die
Spieler aufstehen sollen. Sowohl die performative als auch die musikalische
Gestaltung51 kehren die Dualismen Masse-Individuum und Maschine-Mensch
in Form eines überschwänglichen Heroismus hervor, die die revolutionären
„sozialen Utopien“, welche der Futurismus hervorgebracht hat,52 mit Blick auf
den Arbeitermenschen ideologisch aufgeladen verklanglichen.
Technisch fußt die Struktur beider Maschinenmusiken wesentlich auf dem
Prinzip der Wiederholung, welche die immerzu gleichen und sich nie erschöp-
fenden maschinellen Bewegungsmuster tonmalerisch abbildet. In Mosolovs
Satz betrifft das Wiederholungsprinzip nicht nur die Makrostrukturen von
Taktblöcken, die sich stets reproduzieren, sondern auch die Mikrostruktur
der einzelnen Instrumentalstimmen; darin in Erscheinung tretende rhythmi-
sche Muster werden nach einiger Zeit durch andere Muster ergänzt, sodass
die innere Bewegungsintensität zunimmt. Dieses Strukturprinzip kann als ein
47 Nach Mosolov, übersetzt in: Mende, Musik und Kunst, S. 142.
48 Vgl. ebd., S. 520; Barsova, Das Frühwerk, S.
166.
49 In beiden Stücken sind z.B. 4 Hörner, 2 (bei Mosolov 3)
Posaunen, 3 Trompeten und
eine Tuba vorgeschrieben.
50 Insbesondere die Verwendung eines Eisenblechs, das im Reprisenteil verwendet wird,
ist auffällig.
51 Gemeint ist hier der bewusste Gegensatz zwischen rhythmisch rotierenden Versatz-
stücken innerhalb der orchestralen Masse und der dezidiert hervorgehobenen Melo-
diestimme.
52 Mende verweist etwa auf die Utopievorstellungen Gastevs (vgl. Mende, Musik und
Kunst, S. 518).
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur