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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 257 -
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Brands Oper Maschinist Hopkins und die Avantgarde 257 Insignien von Motorik verwendet. In gleicher Art und Weise werden auch die szenisch eingebrachten Menschen von der Musik betört. Am Ende der Show- szene im ersten Akt geben die von der abklingenden Jazzmusik berauschten Gäste des Etablissements als Chor „ah“- und „m“-Laute von sich. Gleicherma- ßen hypnotisch verwickelt erscheint die Menge am schon besprochenen Beginn des zweiten Aktes, diesmal von ihrer Arbeit. Inmitten ihres „Arbeiterliedes“ feu- ert der Chor die Maschinen zu Höchstleistungen an mit den Worten:  „Immer schneller tanzt der Zeiger, wie ein toller, wilder Geiger!“ Für die Hörerschaft, der die Klänge der virtuosen Solovioline des ersten Aktes noch in Erinnerung sind, bildet diese Passage deutlich eine Untrennbarkeit beider Sphären, die der Arbeit und die der Unterhaltung, ab. Die halluzinogenen Verschmelzungen nehmen auch an anderen Schlüsselstellen Gestalt an:  Der geisterhafte Chor der „ruhen- den Maschinen“ zu Beginn des ersten Aktes zeigt durch fehlende Sänger auf der Bühne Parallelen zum späteren Liebesduett zwischen Bill und Nell. „Wie aus weiter Ferne“72 rufen die mythischen Stimmen ein verzerrtes Erinnerungsbild an die Urszene hervor:  Die Maschinen bleiben auf diesem Wege immerzu prä- sent. Ähnliches geschieht, als im zweiten Akt szenisch von Nells Garderobe zum Theater überblendet wird.73 Das hier von Brand verwendete musikalische Idiom gleicht auf frappierende Art den Aktionen in der Fabrik und lässt somit das Theater zu einer imaginierten, abstrakten Maschinenhalle werden  – als Vorweg- nahme der später unter anderem von Adorno diagnostizierten Kulturindustrie als einer Art Produktionsbetrieb. Am Ende der Oper schließlich beginnt selbst die Maschinenhalle ein neues Gesicht zu zeigen:  Vermittels szenischer Insze- nierung wird der Ort der Arbeit zum Ort der Spiritualität, die Fabrik zu einem Tempel transformiert. Die aus gleißendem Licht einmarschierenden Arbeiter- gruppen erinnern nicht zufällig an den Schluss von Wagners Ring-Tetralogie, in dem ebenfalls „Männer und Frauen“ in den Flammen zugrunde gegangener Macht den Beginn einer neuen Welt verkünden.74 4 Fazit Die kulturellen Rezeptionshaltungen in Brands Maschinist Hopkins erwachsen bei näherer Betrachtung zu so großer Vielfalt, dass sich eine saubere Abgrenzung und Kategorisierung schwierig, gar unmöglich gestaltet. Die verschiedenen, 72 Vgl. Partitur, S.  245. 73 Ebd., S.  91ff.:  „Plötzlich fröhliche Bewegung“. 74 Vgl. Richard Wagner:  Der Ring des Nibelungen (Libretto). Stuttgart:  Reclam 2009, S.  429.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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