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Russische Musik im Wiener Verlag Universal-Edition 269
und zwei Streifbandsendungen von Leipzig nach Moskau verschickt.22 Die
Noten sowie die verlagseigenen Zeitschriften Musikblätter des Anbruch und Pult
und Taktstock wurden von der UE unter den für die russische Seite lukrativsten
Umständen abgeschickt: Der österreichische Verlag bezahlte den Versand, die
Drucke aus dessen Katalog wurden auf Kredit oder sogar gratis verbreitet.
Aufgrund von Äußerungen in Briefen von Boris Asaf’ev23 an Deržanovskij,
seinen einstigen Weggefährten, ist anzunehmen, dass die Verkaufs- und Verleih-
bedingungen für Noten der UE für die russischen Musiker lukrativer als beim
Großteil anderer ausländischer Verlage waren.24 Mit Notenverkauf auf Kredit
arbeitete die UE jedoch zum eigenen Nachteil, versickerte nämlich das Geld
aus dem Verkauf in der UdSSR durch monatelanges Hinhalten, worüber sich
die UE-Leitung auch beklagte. Viele Kisten wurden aufgrund von Platzmangel
im Moskauer Lager von Meždunarodnaja kniga nicht einmal ausgepackt. Dem-
entsprechend erfüllten sich die Hoffnungen der UE, den Notenvertrieb auf die
gesamte UdSSR auszuweiten, nur schleppend. Der Versuch, Noten in die UdSSR
zu exportieren, erwies sich somit letztlich als verlustbringende ‚Werbeaktion‘.25
Der Wiener Verlag nahm den Misserfolg beim Versuch, firmeneigene Produk-
tion in die UdSSR zu exportieren, jedoch hin und begann gleichzeitig, in den
Import sowjetischer Musik zu investieren.
Wie bereits erwähnt, richtete sich das Interesse der UE zunächst auf die rus-
sische Musik im Allgemeinen. Werke zeitgenössischer Komponisten aus der
UdSSR fanden ab April 1925 Berücksichtigung. Alle Komponisten, mit denen
die UE in den 1920er Jahren individuelle Verträge abschloss, waren Moskauer
und Mitglieder der Associacija sovremennoj muzyki (dt. Gesellschaft für zeitge-
nössische Musik, kurz:
АSМ),26 der sowjetischen Abteilung der IGNM. Das geht
aus nachfolgender Tabelle hervor, die Werke sowjetischer Komponisten, die von
22 Davon zeugt ein Brief Dzimitrovskijs an Deržanovskij, der auf diesen Tag datiert ist
(VMOMK benannt nach Michail Glinka, Bestand 3. Nr. 1008. Blatt 1).
23 Boris Asaf’ev (1884–1949) war Musikkritiker, Gelehrter, Pädagoge, Komponist sowie
einer der Begründer der sowjetischen Musikwissenschaft.
24 Vgl. z.B. die Korrespondenz von Boris Asaf’evs und Vladimir Deržanovskijs
(VMOMK benannt nach Michail Glinka. Bestand 3. Nr. 732. Blatt 1 (Umschlag)).
25 Vgl. O. Bobrik: Venskoe izdatel'stvo „Universal Edition“ i muzykanty iz Sovetskoj
Rossii. Istorija sotrudničestva v 1920–30-e gody. S. 109–116.
26 Die Associacija sovremennoj muzyki (Gesellschaft für zeitgenössische Musik) wurde
1924 in Moskau gegründet; 1926 formierte sich die Leningrader Abteilung:
Lening-
radskaja associacija sovremennoj muzyki (Leningrader Gesellschaft für zeitgenössi-
sche Musik, kurz: LASM).
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur