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Russische Musik im Wiener Verlag Universal-Edition 277
ihren eigenen Umschlag beilegt. Beim Fehlen von Konventionen muss die Frage der
Nachdrucke streng gehandhabt werden und ich habe diesbezüglich schon an Muzsektor
geschrieben.39
Im zitierten Brief spricht Dzimitrovskij vom Problem des fehlenden Rechts-
schutzes der Muzsektor-Ausgaben vor „Nachdrucken“; der Vertragsabschluss
mit der UE half dem sowjetischen Verlag, dieses Problem zu lösen. Lediglich
einmal, im Jahr 1926, fragte Wien ein dezidiert sowjetisches Produkt nach, und
zwar proletarische Lieder. Darüber berichtete die Direktion von Muzsektor mit
Stolz in einem Artikel in der Sektion „Chronika“ (dt. „Chronik“) der Zeitschrift
Muzyka i revoljucija (dt. Musik und Revolution):
Der Musikverlag Universal-Edition Wien-Leipzig wandte sich mit der Bitte an uns,
musikalische Literatur für in dieser Saison in Wien geplante Volkskonzerte russischer
Musik in Arbeiterklubs, auf Versammlungen etc., zu schicken. Dies müssen Lieder,
Chöre mit Klavier oder mit Orchester o.Ä. sein, die zu einem proletarischen Text
geschrieben sind, der für die Aufführung übersetzt wird. Neben dieser Literatur wurden
vom Verlag auch umfangreichere Werke für Chor und Orchester („Simfoničeskijmonu-
ment“ [dt. Sinfonisches Monument] von Gnesin, „Traurnajaoda“ [Trauerode] von Krein
und andere), angefordert, die in dieser Saison in Wien und Amerika gefragt sind.40
Vermutlich entsprach diese Mitteilung auf die UE-Anfrage hin, Musik basierend
auf „proletarischen“ Texten zu übermitteln, der Realität. Noten von Revolutions-
liedern und -chören wurden für Konzerte der Musiksektion der Avstrijskoe
obščestvo svjazi s SSSR (Österreichische Gesellschaft für Beziehungen mit der
UdSSR) gebraucht, worüber in einem der Briefe Dzimitrovskijs nach Moskau
berichtet wurde:
Die Programme dieser Konzerte werden aus zeitgenössischer russischer Musik zusam-
mengestellt, aus Liedern und Chören, die auf Revolutions- und proletarische Texte
aufbauen. Es wird Material benötigt. Heute wurde von uns der entsprechende Brief an
Muzsektor gesandt; wir bitten Sie, Vladimir Vladimirovič, der Sektion zu helfen, die
nötigen Materialien zu bekommen. Wenn möglich, wären auch neueste Lieder der Völ-
ker der einzelnen Republiken der UdSSR gewünscht.41
Nichtsdestotrotz konnte sich der Wiener Verlag zum systematischen Ankauf
sowjetischer Noten lange Zeit nicht entschließen. Chargen sowjetischer Noten
trafen zwar im April und Mai 1925 zur Ansicht in Wien ein. Obgleich es sich
anbot, Exemplare dieser Ausgaben von Muzsektor anzukaufen und ohne
39 RGALI. Bestand 2040. Verzeichnis 2. Akte 140. Blatt 17 (Umschlag).
40 Музыкаиреволюция. [Muzyka i revoljucija] 1926. Nr. 11. S. 32.
41 VMOMK, nach Michail Glinka. Bestand 3. Nr. 1075, Blatt 1 (Umschlag).
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur