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Omasta und
Mayr292
Szenen, welche die Autorität des Militärs untergraben könnten („Ein Offizier
wird über Bord geworfen …“), und Bilder, die Grausamkeiten durch Militärs
demonstrieren, zum Beispiel „Ein Kind wird neben seiner Mutter von einer
Salve getroffen. Großaufnahme des blutüberströmten Kindes und seiner Füße
…“.10 Der von 1.617 auf 1.587 Meter
– also um knappe zwei Minuten
– gekürzte
Film erlebt seine deutsche Uraufführung am 29. April 1926 im Berliner Apollo-
Theater.
Auch im Österreich der Ersten Republik sorgt das Thema Filmzensur nicht
allein unter Fachleuten und in der Branchenpresse immer wieder für heftige
Kontroversen. Dem Wortlaut des Gesetzes zufolge ist
[d]
ie Zulassung eines Laufbildes […] zur Vorführung vor Erwachsenen […] zu versa-
gen, wenn die Prüfung ergibt, daß die Vorführung geeignet ist
– die öffentliche Ruhe und Ordnung zu gefährden,
– das religiöse Empfinden zu verletzen,
– unwahre Vorstellungen vom Leben zu verbreiten,
– verrohend oder entsittlichend zu wirken
– oder das Ansehen Oesterreichs oder seiner Beziehungen zu auswärtigen Staaten zu
trüben.11
Panzerkreuzer Potemkin gelangt in einer abermals gekürzten Fassung, einge-
reicht vom Wiener Verleih Philipp & Co., von 1.552 Meter in der Woche vom
29. Mai bis 5. Juni 1926 zur Vorführung im Pressebureau der für die Zensur
zuständigen Polizeidirektion Wien.12 Der Film wird mit Jugendverbot belegt, wie
die überwiegende Zahl der damals bewerteten Produktionen; die Ufa-Wochen-
schau Nr. 22 teilte dieses Schicksal ebenso wie Die Kleine vom Film (Globusfilm
Berlin), Der Sprung in die Ehe (Famous Players Lasky) oder Chinesische Rache,
wohinter sich die Stan-Laurel-Groteske Mandarin Mix-Up verbarg.
Einen maßgeblichen Anteil am Siegeszug des Panzerkreuzers hat die Musik
von Edmund Meisel, der bei der Premiere in Berlin seine „binnen zwölf Tagen
10 Revision des Verbotsurteils Nr. 349 der Film-Oberprüfstelle Berlin vom 10.4.1926.
Damit ist der Kampf um den Film aber noch nicht vorbei: Bereits am 12. Juli ereilt
ihn ein neuerliches Verbot, am 28. Juli wird er zwar wieder zugelassen, aber mit
neuerlichen Kürzungen und Veränderungen der Zwischentitel, Länge diesmal:
1.421
Meter. Ein weiterer Verbotsantrag vom 2. Oktober wird abgelehnt.
11 Auszug aus dem Gesetzestext, zit. nach: Der Filmbote, Nr. 13/1921, S. 6.
12 Folio 393/PB 81F, zit. nach:
Paolo Caneppele (Hg.):
Entscheidungen der Wiener Film-
zensur 1926–1928. Wien: Filmarchiv Austria 2002, S. 39.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur