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Otto R. Schatz –Neue Sachlichkeit und Proletkult 303
präsentierte und förderte. Die Spuren der Wiener zeitgenössischen Kunst der
1920er Jahre führen oft „eher nach Prag oder Budapest, wo kubistisches oder
futuristisches Avantgardevokabular in die regionalen Strömungen gemischt
wurde“.6 Selbst Schatz’ surreale Kompositionen um 1930 weisen eher in die
damalige Tschechoslowakei zu Karel Teige als nach Paris.7 Sehr gut nachweisbar
ist diese Traditionslinie bei Carry Hauser, der während des Krieges in Opava/
Troppau und Olomouc/Olmütz mit Werken des tschechischen Kubismus in
Berührung gekommen ist und sich daran abgearbeitet hat.8 Bereits 1918 wurden
in Wien von der Künstlervereinigung Freie Bewegung die tschechischen Kubis-
ten ausgestellt.
Ein Kristallisationszentrum dieser Moderne-Rezeption war das Ehepaar Hans
und Erica Tietze.9 Sie waren 1923 an der Gründung der Gesellschaft zur Förderung
moderner Kunst beteiligt, die in der Folge als Spiritus Rector Großausstellungen
zur internationalen Kunst organisierte, darunter die Internationale Kunstaus-
stellung in der Secession anlässlich des Musik- und Theaterfestes der Gemeinde
Wien im Herbst 1924. Und das Ehepaar Tietze förderte aktiv die KünstlerInnen
im Umfeld des Hagenbundes, die protestierten, als Tietze 1926 aus politischen
Gründen von seinem Amt zurücktrat.10 Er war 1919 von Otto Glöckel als Referent
für das Musealwesen in das Staatsamt für Unterricht und Inneres berufen worden
und war als Verantwortlicher für die schwierigen Verhandlungen mit den einsti-
gen Kronländern über „Restitutionsfragen“ von Sammlungsgut zunehmend unter
öffentlichen Druck geraten; außerdem versuchte Tietze eine Flurbereinigung und
Profilschärfung der Wiener Museumslandschaft, was bis heute nicht gelungen
ist und schon damals heftigen Widerstand hervorrief. In dieser Sache hat Tietze
im Mai 1924 auch Arthur Schnitzler um eine Solidaritätsunterschrift ersucht auf
6 Harald Krejci:
Innere Dynamik und äußere Einflüsse. Das Künstlernetzwerk Hagen-
bund. In:
Agnes Husslein-Arco, Matthias Boeckl, Harald Krejci (Hgg.):
Hagenbund. Ein
europäisches Netzwerk der Moderne 1900 bis 1938. Wien:
Belvedere/München:
Hir-
mer 2014, S. 17–25, zit. S. 21.
7 Vgl. ebd., S. 23.
8 Vgl. Cornelia Cabuk:
Der Hagenbund als Plattform der Moderne Zentraleuropas in
den 20er und 30er Jahren. In: Husslein-Arco, Hagenbund, S.
55–61, zit. S. 56f.
9 Vgl. die Würdigung beider in: Almut Krapf-Weiler: Zeitgenössische Aussagen zur
Kunst in Österreich von 1918–1938. In: Kunst in Österreich 1918 bis 1938. Aus der
Österreichischen Galerie. Ausstellung im Schloss Halbturn 25. Mai bis 21. Okto-
ber 1984. Wien 1984, S.
197–223.
10 Vgl. N.N.:
Eine Kundgebung österreichischer Künstler für Hans Tietze. In:
Arbeiter-
Zeitung (19.1.1926), S. 5.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur