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Otto R. Schatz –Neue Sachlichkeit und Proletkult 309
Vor allem aber zeigen die Notizen das schwierige Ringen des jungen Künst-
lers in der Nachkriegsgegenwart anzukommen – Schatz hatte sich Anfang 1918
freiwillig an die Front gemeldet und kam erst Ende 1918 zurück28 –, zerrissen
zwischen pubertärem Einsamkeitspathos, Selbstmordfantasien und Liebesleid,
künstlerischem Selbstzweifel, realer Not und den Kämpfen mit seinem ersten
Förderer Max Hevesi. Schatz sieht sich permanent übervorteilt, verachtet prinzi-
piell die Wohlhabenden als potentielle Käufer und kämpft mit praktischen Sor-
gen: Das Papier geht aus und er weiß nicht, wann er neues kaufen kann, und er
hat keine Schuhe mehr, um eine seiner Bergpartien zu machen. „Brauche Schuhe
Hemden + Kleider. Habe ich die so hat alles Jammern ein Ende“.29 Doch Hevesi
zahlt nicht, und Schatz reagiert sich in juvenilem Überschwang verbal ab: „Ich
bin fertig mit ihm Max Hevesi † am 24.
September
1921“.30 Am 5.
Oktober zahlte
Hevesi nicht nur das ausständige Honorar, er nahm Schatz neuerlich unter Ver-
trag, was der in seinem Notizheft als „Wunder“31 verzeichnete.
1922 entstanden in Zusammenarbeit mit dem Kunstkritiker Arthur Roessler
in dessen Avalun Verlag erste Buchprojekte, unter anderen 13 Druckplatten zu
Johannes von Saaz’ Der Ackermann aus Böhmen und 20 zu Roesslers in der Tra-
dition der Dekadenz wurzelndem Dialogstück Die Stimmung der Gotik.32 Durch
die Kunstsammlung Roesslers dürfte Schatz unter anderen mit Arbeiten Egon
Schieles bekannt geworden sein. Von Roessler stammt auch eine frühe und sehr
sensible Würdigung der Person und der Arbeit von Schatz in der Verbindung
von Impulsivität, Zerrissenheit und so unverbildeter wie unbeirrbarer Arbeits-
wut; Schatz habe „sich nie viel um das Tun anderer gekümmert“.33
1923 gab Erica Tietze-Conrat das Mappenwerk O. R. Schatz. 12 Holzschnitte
heraus, das Landschaften und einige Figurenkompositionen enthält. In ihrem
Vorwort versucht sie Schatz in die Tradition der altdeutschen Meister einzu-
schreiben und betont seine Ausbildung bei Strnad, ohne diesen namentlich zu
erwähnen.
Natürlich ist Schatz, wie fast alle Wiener Künstler, in die Kunstgewebeschule gegangen;
dort hat er komponieren gelernt. Der Raum ist gut gefüllt, das ornamentale Gerüst ist
28 Vgl. Roessler, Einiges von und über Otto Rudolf Schatz, S. 69.
29 Schatz, Philosophische Kurzbetrachtungen, Bl. 31.
30 Ebd., Bl. 33v.
31 Ebd., Bl. 42.
32 Vgl. Arthur Roessler: Die Stimmung der Gotik. Ein Zwiegespräch. Original-Holz-
schnitte, Einband, Schutzumschlag v.
Otto Rudolf Schatz. Wien:
Avalun Verlag 1922
(= Avalun-Druck, Bd. 20), 3. Aufl. 1947.
33 Ders., Einiges von und über Otto Rudolf Schatz, S. 75.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur