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Evelyne
Polt-Heinzl314
Schatz’ Industrieszenarien wirken wie von einem „Demiurgen gesteuert. Alles
ist aufeinander abgestimmt. Der Mensch ist unnötig-unwichtig, das tech-
nische Geschehen läuft selbständig ab. Die Natur ist wie abgeschafft, keine
Pflanze und keine Tier gibt es da mehr, zu dieser technischen Riesenanlage
gehört auch die Wüste.“46 Tatsächlich gibt es bei Schatz nirgendwo Brachen,
diese typischen „Gstätten“ in den Industriezonen, ungenutzte, unbrauchbare
Schutt- und Erdflecken, wo dennoch Löwenzahn und Unkraut jedes Jahr aufs
Neue wuchern.
Das ist auch in jenen Blättern nicht anders, die Schatz als Auftragsarbeiten
für die Sozialdemokratie fertigt wie das Cover für den Arbeiterkalender 1930.
Insofern ist dieses Blatt auch nicht „optimistischer“ und Schatz hat sich hier
keineswegs dem Parteidiktat des „Pflichtoptimismus“47 untergeordnet. Die wild
geschichteten Architekturteile von Industrie, Wohnbereich, Verwaltung, öffent-
lichem Verkehr sind in ihrer Nähe zu Fritz Langs Metropolis-Vision lebenswelt-
lich nicht weniger bedrückend als seine Industrieanlagen. „Die sekundäre, vom
Menschen geschaffene Welt, hat die primäre weggefressen. Und man hat nicht
den Eindruck, als ob die ursprüngliche Natur noch eine Chance hätte, dahin
zurückzukehren, wo sie einmal war.“48
Die dynamische Komplexität von Schatz’ Kompositionen zwingt selbst in
den ‚neusachlich‘ eingefrorenen Blick auf Fabrikschlote, eine Förderanlage oder
ein Kesselhaus Leben hinein. Das macht seine Holzschnitte oft lebendiger als
jene von Frans Masereel. Gut zu beobachten ist das im erwähnten Band zwei
der „Roman-Rundschau“ des Wiener Verlags Der Strom, der zwei Erzählungen
Stefan Zweigs enthält: Der Zwang mit zehn Holzschnitten von Masereel, und
Phantastische Nacht mit fünf Holzschnitten von Schatz, die in der Komposition
dynamischer, im Umgang mit dem Text freier und dadurch in der Ausführung
weniger manieriert sind.
46 Daim, Otto Rudolf Schatz, Kriegsbriefe, zu Tafel 30.
47 Ebd., zu Tafel 45.
48 Ebd., zu Tafel 19.
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Titel
- Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
- Untertitel
- Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
- Autor
- Primus-Heinz Kucher
- Herausgeber
- Rebecca Unterberger
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-631-78199-9
- Abmessungen
- 14.8 x 21.0 cm
- Seiten
- 466
- Kategorie
- Kunst und Kultur